Was ist ein Jahresweiser? Das ist ein Kalender auf Germanisch. Er wird in Klagenfurt herausgegeben, benennt die Monate von Hartung bis Julmond und wird von Odin Wiesinger illustriert, dem Lieblingsmaler von Norbert Hofer und Hausmaler der deutschnationalen Rechten.

Norbert Gerwald Hofer ist in dieser Szene zu Hause. Eine Naziszene? Nein. Diese Szene gibt es nicht erst seit der Nazizeit, sie ist sehr viel älter und hat ihre Wurzeln tief im 19. Jahrhundert. Dieses Milieu lehnte den habsburgischen Vielvölkerstaat ab und fühlte sich leidenschaftlich dem am Beginn seiner Einigung stehenden Deutschen Reich verbunden. Der politische Arm dieser Bewegung war die Alldeutsche Partei von Georg von Schönerer, die den kämpferischen Antisemitismus auf ihre Fahnen geschrieben hatte und deren Symbol die Kornblume war, anspielend auf die blaue Blume der Romantik. Kern ihrer Ideenwelt war das Bekenntnis zum Deutschtum und die Ablehnung alles Undeutschen. Die schlagenden Burschenschaften waren die akademische Säule der Bewegung. Sie machten es sich zur Aufgabe, jüdische Studenten durch Prügel am Betreten der Wiener Uni zu hindern.

Tatsächlich bildete die deutschnationale Szene in Österreich den Nährboden für den Nationalsozialismus. Als in der Ersten Republik das Hakenkreuz verboten wurde, wählten die illegalen Nazis die Kornblume als Erkennungszeichen. Auch Hofer und H.-C. Strache tragen dieses Zeichen bei passenden Anlässen. Das Bekenntnis zum Deutschtum ist kein Problem mehr, weil Österreich kein multinationaler Staat mehr ist. Im Programm von Hofers Burschenschaft Marko Germania, laut Eigendefinition "die schärfste Burschenschaft Österreichs", ist Österreich "ungeachtet bestehender Grenzen Teil der deutschen Volksgemeinschaft". Und an die Stelle des Kampfes gegen die "Verjudung" des Vaterlandes ist nun der Kampf gegen dessen "Islamisierung" getreten.

Weder Kornblume noch Burschenschafterwichs sind an sich böse oder ungesetzlich. Aber aus der übersteigerten Verteidigung des Deutschtums gegen das "undeutsche" Judentum wurde einst der Holocaust. Und aus der übersteigerten Ablehnung des Islam in unserer Zeit der bisweilen überbordende Fremdenhass. Posting-Kostprobe auf einer Internetseite mit dem Porträt Hofers, mit Bezug auf die Bootsflüchtlinge: "Scheisskinder. Absaufen lassen, das Gsindel. Napalm drüber und fertig."

Hofer möchte, wird er Präsident, seine Neujahrsansprache in einem Bauernhaus halten. Eine altdeutsche Bauernstube findet er als Kulisse angemessener als den barocken Glanz der Habsburgerresidenz. Er möchte als Staatsoberhaupt seine deutschnationale Identität nicht verleugnen und seine Burschenschafter-Mitarbeiter behalten, inklusive Bürochef Rene Schimanek, einst Gefolgsmann des verurteilten Neonazis Gottfried Küssel. Das ist sein gutes Recht. Das ist seine Welt und seine Kultur. Nur: Wollen die Österreicher, die einen netten jungen Mann aus Pinkafeld gewählt haben, einen Repräsentanten dieser Kultur an der Spitze ihres Staates sehen? Lernen Sie Geschichte, möchte man sagen, Herr Wähler und Frau Wählerin. Bis zum Julmond ist noch Zeit. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 14.9.2016)