Wien – Der Wiener Rechtsanwalt Georg Zanger hat am Mittwoch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Gruppenbeschwerde eingereicht, die sich gegen die Aufhebung der Bundespräsidentenstichwahl vom 24. April durch den Verfassungsgerichtshof richtet. Die Beschwerdeführer – mittlerweile haben sich der Klage mehr als 100 Personen angeschlossen – wehren sich dagegen, dass ihre Stimmen für ungültig erklärt wurden, außerdem sei mit dieser Entscheidung des VfGH eine Verfassungsbestimmung in einem entscheidenden Punkt verändert worden. Dadurch sei für sämtliche Wahlen in Österreich "eine Stattgebung einer Wahlanfechtung auch dann für zulässig erklärt worden, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis ohne Einfluss war", heißt es.

Kein Prüfverfahren

Der Verfassungsgerichtshof habe damit seine Kompetenz überschritten und ohne Einleitung eines Prüfverfahrens den Artikel 141 der Bundesverfassung geändert. Dieser regle nicht bloß die Anfechtung der Bundespräsidentenwahl, sondern der Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, zum Europäischen Parlament, zu den satzungsgebenden Organen, in die Landesregierung und die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde, wie Zanger erklärt.

Als Konsequenz dieser Entscheidung könne jede Wählergruppe Wahlen erfolgreich anfechten, wenn sie eine Rechtswidrigkeit feststelle oder gar provoziere. Zanger: "In jedem Fall hätte der VfGH ein Gesetzesprüfungsverfahren einleiten müssen und dazu die Bundesregierung und sämtliche Landesregierungen, die von dieser generellen Änderung, die sich auf alle Wahlen auswirkt, betroffen sind, zur Stellungnahme einladen müssen." Der Anwalt rechnet damit, dass der EGMR die Beschwerde annimmt, da vom Entscheid nicht nur die Bundespräsidentenwahl betroffen sei. (völ, 15.9.2016)