Wien – Fünf bis 15 Jahre Haft drohen Herrn G., wenn der Schöffensenat unter Vorsitz von Christoph Bauer glaubt, was ihm vorgeworfen wird: dass er am 31. März versucht habe, seine Freundin zu vergewaltigen, und sie dabei schwer verletzt habe.

Das Verfahren gegen den 31-Jährigen beginnt damit, dass sowohl Opfervertreterin als auch Verteidigerin den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragen. Ein Wunsch, den der Senat nach kurzer Beratung ablehnt: "Die Anwesenheit der Öffentlichkeit und der Medien ist eines der wesentlichsten Güter der Justiz, um Transparenz zu wahren. Wenn in diesem, müsste auch bei jedem anderen Sexualdelikt die Öffentlichkeit pauschal ausgeschlossen werden", begründet dies der Vorsitzende.

Schuldbekenntnis im Fall der Körperverletzung

Dann stellt Bauer die erste Frage an den Angeklagten: "Ein Gewalttäter sollen Sie sein und ein Alkoholiker obendrauf?" – "Ich trinke mehr, als ich sollte, aber ich bin kein Gewalttäter, das entspricht überhaupt nicht meinem Wesen." Dann bekennt er sich allerdings doch der Körperverletzung für schuldig: "Das habe ich bewusst gemacht, aber das war zwei Tage vor der angeblichen Vergewaltigung" – eben am 31. März.

Bauer, für seine staubtrockene Verhandlungsführung bekannt, kommentiert das folgendermaßen: "Das widerspricht jetzt aber Ihrer Aussage, dass Gewalt nicht Ihrem Wesen entspricht. Was war der Grund dafür?" Es ging um einen möglichen Seitensprung seiner Freundin, der einige Zeit zurücklag. "An dem Abend haben wir beide getrunken, dann ging es mit mir vollkommen durch."

Der Angeklagte redet viel und ausschweifend, aber eloquent. "Ich weiß, dass die Indizien gegen mich sprechen", ist ihm bewusst. Da sind sowohl Farbfotos, die zeigen, dass die Frau schwer verprügelt worden ist, als auch die Diagnose über den Nasenbeinbruch aus dem Krankenhaus sowie die Aussage der 41-Jährigen.

"Eine Lektion erteilt"

Der Unbescholtene bleibt dabei: Ja, die Verletzungen habe er verursacht. "Ich habe ihr auf verwerfliche Weise im Alkoholrausch eine Lektion erteilt", sagt er. Er verwendet auch Sätze wie: "Alkohol ist der hässliche Cousin von Zorn."

Der zweite Vorfall habe sich am 1. oder 2. April ereignet, nach zwei Tagen, in denen man quasi durchgehend betrunken gewesen sei. "Wir sind auf der Couch gelegen, ich wollte Sex." Die Frau habe Nein gesagt, er habe ihr die Unterbekleidung ausgezogen und dabei zerrissen. Das sei aber nichts Ungewöhnliches, sondern auch schon zuvor Teil des Spiels gewesen.

Dann habe er aber gemerkt, dass seine Partnerin wirklich nicht wollte, und habe von ihr abgelassen. Es sei aber wieder zum Streit um den Seitensprung gekommen. Aber er habe geschrien, vielleicht habe es auch kleinere Handgreiflichkeiten gegeben. Sie sei jedenfalls aufgesprungen, habe sich im WC eingesperrt und die Polizei gerufen. Er sei geflüchtet, habe sich aber kurz darauf gestellt.

"Muss auf sie aufpassen"

Bauer und seinem Beisitzer, Gerichtspräsident Friedrich Forsthuber, kommen mehrere Dinge komisch vor. Denn dass es sich – noch immer – um eine Problembeziehung handelt, zeigt sich in anderen Sätzen, die G. fallen lässt. Etwa: "Ich habe mir gedacht, ich muss auf sie aufpassen."

Oder auch an der Tatsache, dass die Frau nach dem Nasenbeinbruch, der laut seiner Darstellung am 31. März passiert ist, erst zwei Tage später von der Polizei ins Spital gebracht wurde.

"Sie sagen, Sie wollten auf sie aufpassen, und sind nicht mit ihr zum Arzt gegangen?", wundert sich Forsthuber. "Sie hat keine Sekunde an den Arzt gedacht." – "Sie müssen sie ja nicht zwingen, aber können sie überreden! Ich würde Panik bekommen!" – "Natürlich, ich habe fast einen Herzinfarkt bekommen, als ich sie in der Früh gesehen habe." Er habe aber aufgepasst, dass sie sich nicht zu viel bewegt. "Nicht bewegt? Sie ist zum Supermarkt gegangen und hat sich extra noch die Sonnenbrille aufgesetzt!", wirft Bauer ein.

"Prinzip Güte und Verständnis"

Verzweifelt versucht der Angeklagte, seinen Punkt darzulegen, sympathischer macht er sich damit nicht. "Ich lebe das Prinzip von Güte und Verständnis", sagt er. "Güte und Verständnis? Wir haben hier die Fotos!", hält ihm Bauer vor. "Was glauben Sie, wie oft ihr schon das Essen verbrannt ist? Ich habe nie etwas gesagt." – "Ich weiß nicht, ob Sie das zynisch oder ernst meinen", rätselt Forsthuber. "Ich glaube, er meint das ernst", klärt ihn Bauer auf.

Der Auftritt des mutmaßlichen Opfers gerät dann seltsam. Zuvor hat ihre Vertreterin beantragt, dass der Angeklagte den Saal bei ihrer Aussage verlassen müsse. Der Senat lehnt das ab, entscheidet aber, dass G. sich in die Ecke setzten soll, wo ihn die Zeugin nicht sehen kann.

Als der Vorsitzende der 41-Jährigen das erklärt, ist ihre Reaktion, dass sie sich umdreht und ihren Freund anlächelt. Zunächst kommt es noch zu einer juristischen Diskussion, ob sie ein Aussageverweigerungsrecht hat, da sie nicht mit ihm zusammenwohnt und es auch keine finanzielle Verbindungen gibt. Sie muss aussagen.

Unrunder Vorsitzender

"Was ist an diesem Tag passiert?", beginnt Bauer. Sie bestätigt zunächst die Version des Angeklagten, obwohl sie bei der Polizei völlig anders ausgesagt hat. Und überhaupt: "Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern." Bauer wird grantig. "Das glaube ich Ihnen nicht. Da geht es um fünf bis 15 Jahre. Das ist kein Spaß!"

Die Zeugin nickt. "Wann könnte der Nasenbeinbruch gewesen sein?", startet der Vorsitzende erneut. "Vielleicht zwei Tage vorher ...", beginnt sie, um dann zu sagen: "Am gleichen Tag, als ich ins AKH gekommen bin." Das war der 2. April.

Es wird noch verwirrender: Einmal hört es sich so an, als sei der Vergewaltigungsversuch am 31. März geschehen, der Nasenbeinbruch jedoch erst am 2. April. Dann sei doch wieder alles am 2. April geschehen.

Zweimal im WC eingesperrt

Außerdem habe er, nachdem er ihr die Leggings zerrissen habe, freiwillig aufgehört. Dann erzählt sie, er habe ihr danach Tücher gebracht, um die Blutung der Nase zu stoppen. Erst dann sei sie auf das WC gerannt und habe sich eingesperrt. "Er ist vor der Tür gestanden und hat gesagt, wenn ich nicht herauskomme, zerstört er mein Handy."

Das soll er auch gemacht haben, sie kam heraus, setzte sich wieder auf die Couch. Aus nicht genau eruierbaren Gründen sprang sie dann wieder auf, sperrte sich neuerlich ein und rief die Polizei. "Ich hatte Angst", sagt sie.

Ein weiteres Problem: Obwohl sie der Vorsitzende aufgefordert hatte, eine medizinische Sachverständige aufzusuchen, um die Schwere und das Alter der Verletzungen festzustellen, hat sie das nicht gemacht. "Ich habe den Termin verwechselt, ich dachte, es ist nächste Woche."

Da diese Fragen aber für die Wahrheitsfindung und die Höhe einer etwaigen Verurteilung unerlässlich sind, wird auf unbestimmte Zeit vertagt. (Michael Möseneder, 15.9.2016)