Leverkusen/St. Louis – Nach monatelangem Ringen um den US-Saatgutriesen Monsanto macht Bayer-Chef Werner Baumann die bisher größte Übernahme eines deutschen Unternehmens perfekt. Der Leverkusener Pharma- und Chemiekonzern legt für Monsanto 66 Milliarden Dollar (58,68 Milliarden Euro) auf den Tisch.

Damit ist es auch der größte Zukauf in der mehr als 150-jährigen Firmengeschichte von Bayer seit dem Kauf des Pharmakonzerns Schering für 17 Milliarden Euro vor zehn Jahren. "Diese Entscheidung ist ein wichtiger Schritt für unsere Division Crop Science", sagte Baumann am Mittwoch. Gemeinsam mit Monsanto steigt Bayer zum weltweit führenden Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut auf.

Harter Poker

Die Leverkusener erhöhten ihre Offerte für Monsanto erneut leicht auf 128 Dollar je Aktie und konnten sich damit schließlich die Gunst der Amerikaner sichern. Wenn die Kartellbehörden die nötigen Freigaben für die Übernahme nicht erteilen, soll Monsanto zudem zwei Milliarden Dollar bekommen.

Bayer hatte in den seit Monaten andauernden Verhandlungen sein Angebot mehrmals scheibchenweise erhöht. Gestartet war der Aspirin-Hersteller im Mai mit 122 Dollar je Anteilsschein, Anfang September stellte der Konzern zuletzt 127,50 Dollar je Monsanto-Aktie in Aussicht. Monsanto-Papiere notierten am Mittwoch leicht im Plus bei knapp 107 Dollar, die Papiere von Bayer waren mit einem Plus von mehr als zwei Prozent größter Gewinner im Dax.

Nach Einschätzung von Marktexperten ist der Kauf der Amerikaner für Bayer strategisch sinnvoll. Bei vielen Bayer-Anteilseignern waren Baumanns Übernahmepläne bisher gleichwohl auf wenig Gegenliebe gestoßen. Sie hatten den Zukauf als zu teuer kritisiert und haben Bedenken, dass durch die Übernahme von Monsanto das Pharmageschäft zu kurz kommen könnte.

Umstrittene Geschäfte

Der US-Saatgutriese hat zudem ein denkbar schlechtes Image und steht wegen seiner aggressiven Geschäftspraktiken und seiner gentechnisch veränderten Produkte seit Jahren in der Kritik. Die Amerikaner sind auch der Entwickler des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Bayer genießt dagegen laut Marktexperten einen guten Ruf. Sollte die Übernahme gelingen, hatten die Experten den Leverkusenern deshalb bereits im Vorfeld geraten, ihr eigenes, positiveres Image zu nutzen und die Marke Monsanto so schnell wie möglich zu löschen.

Bayer und Monsanto sind nicht die einzigen Konzerne in der Branche, die ihr Heil in Zusammenschlüssen und Übernahmen suchen. Der chinesische Staatskonzern ChemChina schluckt gerade die Schweizer Syngenta für 43 Milliarden Dollar. Ende 2015 wurde bereits der Zusammenschluss der US-Konzerne Dow Chemical und Dupont zu einem neuen Branchenriesen auf den Weg gebracht. Fallende Getreidepreise und instabile Märkte in den Schwellenländern haben den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut zuletzt zugesetzt. Der deutsche Chemieriese BASF ist bisher aufs Übernahmekarussell nicht aufgesprungen. Die Ludwigshafener stehen aber parat für Zukaufsgelegenheiten, die sich aus kartellrechtlich bedingten Verkäufen aus den Zusammenschlüssen in der Branche ergeben könnten.

Kritik von NGOs

Deutsche Umwelt- und Naturschutzverbände kritisieren die Übernahme heftig. "Sollten die Kartellbehörden die Fusion durchwinken, würde der neu entstehende Megakonzern eine marktbeherrschende Stellung im Bereich Saatgut, Gentechnik und Pestizide bekommen", sagte die BUND-Gentechnikexpertin Heike Moldenhauer.

Sie fürchtet, dass der Konzern künftig diktieren wolle, was Landwirte anbauen und welche Produkte auf dem Markt verfügbar sind. Zudem würde die Umwelt durch noch mehr Monokulturen und Gentechpflanzen leiden.

Auch Greenpeace sprach von einer "schlechten Nachricht für nachhaltige Landwirte, Verbraucher und die Umwelt" und von einer "bisher ungekannten Marktmacht" für das Unternehmen. "Die Lobbymacht des neuen Konzerns wird wachsen", sagte Greenpeace-Experte Dirk Zimmermann. Schon jetzt verstehe sich die deutsche Politik zu oft als verlängerter Arm der Industrie. "Die Bundesregierung muss jetzt stark bleiben und verantwortungsvolle Entscheidungen etwa gegen bienengefährdende Pestizide oder den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat treffen." (APA, Reuters, 14.9.2016)