Ein Protestzug in weißen Kitteln zog am Montag in der Wiener Innenstadt über die Weihburggasse zum Stephansplatz, um Kritik an der Umsetzung des Arbeitszeitmodells für Spitalsärzte zu üben.

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Wien – Etwa ein Jahr lang sollen Sonja Wehsely (SPÖ) und Thomas Szekeres, Präsident der Wiener Ärztekammer, persönlich kein Wort miteinander gewechselt haben. Am Mittwoch ist, läuft alles nach Plan, Schluss mit der Funkstille. Die für Gesundheit zuständige Stadträtin habe die Spitzen der Landesärztekammer zum Gespräch eingeladen, teilte ein Sprecher Wehselys am Dienstag mit. Seitens der Kammer wurde dies bestätigt.

Ein Gesprächsangebot von der Stadt beziehungsweise vom Krankenanstaltenverbund (KAV) war Ende vergangener Woche an KAV-Personalvertreter, darunter zum Teil Kammerfunktionäre, gegangen, nicht aber direkt ans Präsidium der Kammer. Am Montag fand der von den Ärztevertretern wegen der Umsetzung des neuen Arbeitszeitmodells organisierte Warnstreik samt Protestveranstaltung mit rund 1.500 Teilnehmern statt. Die Stadt erneuerte ihre Einladung an ausgewählte KAV-Vertreter – die, so hieß es, Kammerfunktionäre mitnehmen dürften. Szekeres erwartete sich aber eine persönliche Einladung Wehselys, die offenbar rechtzeitig vor Dienstag, 15 Uhr, einlangte – da trat das Aktions- und Streikkomitee der Wiener Ärztekammer zusammen. Aus Wehselys Büro hieß es, das Gesprächsziel laute "Deeskalation".

Weitere Streikmaßnahmen angekündigt

Diese braucht es: Die Ärztekammer kündigte nach der Sitzung des Komitees weitere Streikmaßnahmen für 26. September an, sollten "zwischenzeitliche Gespräche nicht erfolgreich sein" – sollten also die Ärztekammer-Forderungen (zum Beispiel keine Nachtdienste zu streichen und 12,5-Stunden-Dienste nur bei Einwilligung einzuführen) nicht erfüllt werden.

Mit dem Warnstreik der Ärzte städtischer Spitäler wurde rechtliches Neuland betreten. "Das ist ein Arbeitskampf ohne Gewerkschaft", stellte einer der Redner am Montag bei der Protestkundgebung auf dem Stephansplatz fest. Die Kammer hatte den Streik organisiert, den die für Gemeindebedienstete zuständige Gewerkschaft Younion dezidiert nicht unterstützte – was Redner am Protesttag kritisierten. "O Younion where art thou?", fragte auch eine Kundgebungsteilnehmerin via Plakat in Anlehnung an einen Filmtitel.

"Aus falschen Gründen ausgerufen"

Younion, "Die Daseinsgewerkschaft", vertritt nach eigenen Angaben Gemeindebedienstete aus mehr als 200 Berufsgruppen – vor allem aus dem Gesundheitswesen, aber auch Verkehr, Abfallwesen oder Bildung. Der Streik sei "aus falschen Gründen ausgerufen" worden, da die Hauptforderung ein Tausch der KAV-Spitze sei, erklärt Pressesprecher Ronald Pötzl.

Aus Kammersicht steht unter anderem wegen Nachtdienstreduktionen die Gesundheitsversorgung auf dem Spiel, die Stadt habe Begleitmaßnahmen, die in der Einigung auf das neue Arbeitszeitmodell festgelegt wurden, nicht umgesetzt – etwa den Ausbau der Notfallambulanzen und des niedergelassenen Bereichs. Die Vereinbarung war 2015 von Kammer, KAV und Gewerkschaft ausverhandelt worden. Unter anderem wurden auch Ärztegehälter angehoben. Der KAV pocht nun auf die Einhaltung des Pakts.

Streik mit "seltsamem Charakter"

Bernhard Achitz, ÖGB-Sekretär, bezeichnete den Arbeitskampf in der "Wiener Zeitung" als Streik mit "seltsamem Charakter". Die Gewerkschaft habe für die Ärzte "sehr viel gekämpft und herausgeholt". Nun halte man sich an getroffene Vereinbarungen.

Lungenfacharzt Gernot Rainer, Gründer der Ärztegewerkschaft (Asklepios), nannte Younion hingegen einen "verlängerten Arm der Wiener Stadtregierung". Einer Asklepios-Sprecherin zufolge habe es Younion-Mitglieder "verstört", dass ihre Gewerkschaft gegen den Streik auftrat. Der Ärztekammerspitze, die sich offiziell verwundert über die Positionierung von Younion gibt, dürfte dies – 2017 stehen Kammerwahlen an – wohl nicht ganz unrecht sein. (Gudrun Springer, 13.9.2016)