Robert Habeck, Umweltminister in Schleswig-Holstein, will Spitzenkandidat für der Grünen für die Bundestagswahl 2017 werden. Über seine Bewerbung entscheiden 59.000 Parteimitglieder.

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Katrin Göring-Eckardt ist in einer komfortablen Lage. Die Fraktionschefin der Grünen im Deutschen Bundestag möchte im kommenden Bundestagswahljahr 2017 Spitzenkandidatin ihrer Partei werden, und sie gilt als quasi schon gesetzt. Denn gemäß ihren Statuten schicken die Grünen ein Duo ins Rennen: eine Frau und einen Mann. Göring-Eckardt ist die einzige Frau im Bewerberquartett, die drei Männer müssen hingegen wirklich um die Stimmen der 59.000 Grünen-Mitglieder kämpfen, die bis zum Jänner in einer Urwahl abstimmen.

Die 50-jährige Thüringerin hat auch schon klargemacht, wo die Reise hingehen soll: direkt in die deutsche Regierung. "Ich will regieren", erklärt sie und betont, dass die Grünen fähig wären, sowohl mit SPD und Linken als auch mit CDU/CSU ein Bündnis zu schmieden, wobei in Berlin bekannt ist, dass Göring-Eckardt Schwarz-Grün bevorzugt.

Auch Parteichef Cem Özdemir liebäugelt mit einer solchen Koalition, die auf Bundesebene eine Premiere wäre. Der Realo bewirbt sich ebenfalls um die Spitzenkandidatur – würde die Basis für ihn neben Göring-Eckardt votieren, dann wäre dies ein Signal für Schwarz-Grün nach der Wahl.

Außenseiter "vom Land"

Doch es gibt noch einen Realo im Bunde, den schleswig-holsteinischen Umweltminister Robert Habeck. Er ist in Kiel Teil einer rot-grünen Regierung, würde sich aber Schwarz-Grün nicht verschließen. Und er, der Außenseiter "vom Land", will auch gleich die Bundespartei aufmischen. "Bei den großen Themen – Einwanderung, Integration, Einheit Europas – dringen wir trotz guter Detailantworten nicht durch. Man traut uns bei diesen Punkten Relevanz offenbar nicht zu", klagt er und fordert die Öffnung der Grünen für breitere Wählerschichten.

Dagegen hätte auch der dritte männliche Bewerber, Co-Fraktionschef Anton Hofreiter, nichts. Der gilt – im Gegensatz zu Özdemir und Habeck – aber als Vertreter des linken Flügels und als Vertrauter des "linken" Jürgen Trittin. Der linke Flügel plädiert für Vermögensteuern, was natürlich mit der Union überhaupt nicht zu machen wäre.

Auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht sich gegen Steuererhöhungen aus. Er will zudem ohne Koalitionsaussage in den Bundestagswahlkampf ziehen und sagt: "Das gilt umso mehr, als die Zeit der klassischen Lagerbündnisse schon rein rechnerisch vorbei zu sein scheint."

Nach beiden Seiten offen

Längst vorbei sind die Zeiten, als die Grünen ausschließlich als natürlicher Koalitionspartner der SPD galten. Zwar regieren sie in Nordrhein-Westfalen und Hamburg mit der SPD, in Baden-Württemberg und Hessen hingegen mit der CDU. In Rheinland-Pfalz sitzen sie mit SPD und FDP in einer Ampel, in Sachsen-Anhalt bilden sie gemeinsam mit SPD und CDU die "Kenia-Koalition" (benannt nach den Farben der kenianischen Flagge). Derart flexibel war früher im Bund die FDP, sie regierte zunächst mit der CDU, dann unter Willy Brandt (SPD) und Helmut Schmidt (SPD) von 1969 und 1982 in sozialliberalen Koalitionen, danach mit den CDU-Regierungschefs Helmut Kohl (1982 bis 1998) und Angela Merkel (2009 bis 2013).

Zur Richtungsentscheidung für eine mögliche schwarz-grüne Koalition im Bund könnte aber schon die Bundespräsidentenwahl im Februar werden: Findet sich kein gemeinsamer schwarz-roter Kandidat, dann wird in Berlin jemand gehandelt, der für Grüne und Schwarze wählbar wäre – nämlich Winfried Kretschmann. (14.9.2106)