Nikos Anastasiades (li.) und Mustafa Akinci bei Gesprächen über die Zukunft der Insel im vergangenen Juni. Zwischen den beiden Politikern stimmt die Chemie, sagt man.

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Er hat beim ersten Mal mit Ja gestimmt. Da kam er gerade aus der Schule. Zwölf Jahre später ist Loizos Vasilios Rechnungsprüfer bei einem internationalen Unternehmen, geht ins Büro, zahlt Steuern, und seine politische Überzeugung hat sich kein bisschen geändert. Er würde es auch beim zweiten Referendum über einen gemeinsamen Staat so machen. "Sie wollen eine Schulter, an die sie sich anlehnen können, keine Hand", sagt der 31-Jährige über die türkischen Zyprioten, seine Landsleute auf der anderen Seite der Insel. Die Schulter sind die griechischen Zyprioten, und die Hand kommt aus Ankara. Zypern hat eine komplizierte Anatomie.

"Ihr müsst schnell eine Lösung finden", sagen sie ihm auf der türkischen Seite – so, als ob es allein von den Griechen im Süden der Insel abhinge, ob jetzt noch eine Wiedervereinigung stattfindet.

2004 war es tatsächlich so. Als Loizos ebenso wie die Türken für den Friedensplan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan stimmte, sagten fast 76 Prozent der griechischen Zyprioten Nein. Ein Fiasko. Die EU-Kommission fühlte sich gefoppt. Zypern sollte bei der großen Beitrittswelle 2004 als vereinigter Staat in die EU, so war es ausgemacht. Einen politischen Dauerkonflikt zwischen Griechen und Türken wollte niemand in die Union importieren.

Loizos, ein Schnellredner in Shorts und Joggingschuhen, zumindest am Abend, ist auch Funktionär. Er sitzt dem Jugendrat der Insel als Präsident vor – einem Verbund von NGOs aus dem griechischen Süden und dem türkischen Norden Zyperns. Auf die Jüngeren, auf die Generationen, die nach der türkischen Invasion und der Teilung der Insel 1974 aufgewachsen sind, kommt es an, sollten der zypriotische Präsident Nikos Anastasiades und Mustafa Akinci, der Führer der türkischen Volksgruppe im Norden, nun auf eine Einigung zusteuern.

Krieg und Krisen im Umkreis

Vor allem die jüngeren griechischen Zyprioten für die Idee eines gemeinsamen Staats zu gewinnen gilt als schwierig. Sie kennen die gemeinsame Zeit mit den Türken nur aus Erzählungen, sie haben sich in der Teilung komfortabel eingerichtet. Der Mehrheit hier sei nicht bewusst, dass sie im Auge des Sturms lebt, sagt Hubert Faustmann, Büroleiter der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung auf Zypern. Nichts als Krieg und Krisen im Umkreis von 300 Kilometern, stellt der Politikprofessor fest. Faustmann hat Syrien im Blick, Israel und die Palästinenser im Gaza-Streifen, Ägypten, die instabile Türkei.

Wäre eine neue Föderation auf Zypern aber wirklich sicherer als der Status quo, eingegraben in mehr als 40 Jahren Teilung? "Was heute als Stabilität gilt, ist nichts mehr als eine vorübergehende Stabilität", warnt Anastasiades, der Präsident im Süden. "Die Zeit arbeitet leider gegen uns alle."

Die Chemie stimmt

Seit einem Jahr verhandelt Anastasiades mit Akinci. Es sind die besten Verhandlungen seit dem Vermittlungsversuch des UN-Generalsekretärs Annan vor zwölf Jahren, so heißt es; vielleicht die besten seit der Teilung 1974. Die Chemie stimmt zwischen dem konservativen Anastasiades und Akinci, dem Sozialdemokraten. Sieben Treffen haben sie für den Endspurt in diesen Wochen anberaumt. Heute, Mittwoch, ist die letzte Runde. Dann wird man wissen, wohin die Reise auf Zypern geht – Wiedervereinigung oder endgültige Teilung.

Scheitern die Bemühungen, so die allgemeine Erwartung, fällt der Norden der Insel als Vasallenstaat an den autoritären türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan auf dem Festland. Ankara finanziert die türkischen Zyprioten.

"Die Leute spüren, dass wir uns einem kritischen Punkt nähern – etwas, das unser Leben berühren wird", sagt Marina Neophytou. Die junge Griechin leitet eine NGO, das Home for Cooperation, ein Biotop in der Pufferzone in der geteilten Stadt Nikosia. Zyprioten aus beiden Inselteilen treffen sich hier. Kinder, Teenager, Akademiker.

"Wir reden nicht groß über die Vergangenheit", sagt Neophytou, aber auch, dass der Graben zwischen Türken und Griechen mit der Zeit immer tiefer werde. Akinci und Anastasiades waren kürzlich zum Mittagessen im Café des Home for Cooperation. Sie haben Stillschweigen über ihre Verhandlungen vereinbart. Kommt es zu einer Verhandlungslösung über Eigentum und Grenzen, den Abzug der türkischen Truppen und die Machtaufteilung im neuen Staat, dann wird es nächstes Jahr ein Referendum geben – möglichst noch bevor im griechischen Teil schon der Wahlkampf für die Präsidentenwahl 2018 beginnt.

Aussicht auf den Boom

Der Leidensdruck im griechischen Süden sei relativ niedrig, sagt Faustmann, der deutsche Beobachter. Zumindest was die Trennung von den Türken angeht. Wirtschaftlich ist das anders. Die griechischen Zyprioten erholen sich nur langsam von dem Austeritätsprogramm der Kreditgeber. Eine Wiedervereinigung mit dem Norden brächte ein, zwei Jahre Rezession, dann aber einen Boom, sagt Faustmann. Doch dafür ist zuerst die politische Einigung nötig: "Wenn es jetzt nicht klappt, sieht es schlecht aus." (14.9.2016)