Flüchtlinge an der serbisch-ungarischen Grenze im September 2015.

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Jean Asselborn sorgt für Aufsehen.

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Luxemburg/Budapest/Wien – Wenige Tage vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Bratislava fordert Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn den Ausschluss Ungarns aus der EU. In einem Interview mit der deutschen Zeitung "Die Welt" wirft er Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán eine massive Verletzung von Grundwerten der EU vor. Aus Ungarn folgte umgehend harsche Kritik, aber auch in zahlreichen anderen EU-Hauptstädten stieß der Vorschlag auf deutliche Ablehnung.

"Zäune gegen Kriegsflüchtlinge"

"Wer wie Ungarn Zäune gegen Kriegsflüchtlinge baut oder wer die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz verletzt, der sollte vorübergehend oder notfalls für immer aus der EU ausgeschlossen werden", forderte Asselborn. Dies sei die einzige Möglichkeit, um den Zusammenhalt und die Werte der EU zu bewahren.

"Schießbefehl"

"Der Zaun, den Ungarn baut, um Flüchtlinge abzuhalten, wird immer länger, höher und gefährlicher. Ungarn ist nicht mehr weit weg vom Schießbefehl gegen Flüchtlinge", so Asselborn weiter. Wenn das Land heute EU-Mitglied werden wollte, hätte es keine Chance, aufgenommen zu werden. "Typen wie Orban haben uns eingebrockt, dass die EU in der Welt dasteht wie eine Union, die sich anmaßt, nach außen Werte zu verteidigen, aber nach innen nicht mehr fähig ist, diese Werte auch aufrecht zu erhalten", sagte der luxemburgische Außenminister weiter. Er plädierte für eine Änderung des EU-Vertrages, damit ein solcher Ausschluss leichter möglich wird. "Es wäre hilfreich, wenn die Regeln so geändert würden, dass die Suspendierung der Mitgliedschaft eines EU-Landes künftig keine Einstimmigkeit mehr erfordert", sagte er.

"Unernste Figur"

Ungarn reagierte erbost. Außenminister Peter Szijjarto bezeichnete Asselborn als "unernste Figur", die sich "schon längst selbst aus der Reihe der ernst zu nehmenden Politiker ausgeschlossen" habe. Man sehe, dass Asselborn nicht weit von Brüssel entfernt zu Hause ist, denn er sei "belehrend, arrogant und frustriert", so Szijjarto laut der staatlichen Nachrichtenagentur MTI in Budapest.

Kurz kann Vorschlag "sehr wenig abgewinnen"

Auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte, er könne dem Vorschlag seines Luxemburger Amtskollegen Jean Asselborn "sehr wenig abgewinnen". Es müsse in der Union möglich sein, "hart zu diskutieren", so Kurz vor dem Ministerrat in Wien. Ungarn sei ein europäischer Staat, EU-Mitglied und ein Nachbarlands Österreich. Es brauche "Respekt", um das "Friedensprojekt Europa" nicht zu gefährden, so Kurz.

Auf Distanz zu Asselborn ging am Dienstag auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier. "Es ist jetzt nicht meine persönliche Haltung, einem europäischen Mitgliedsstaat die Tür zu weisen", sagte Steinmeier bei einem Besuch in Lettland. "Wir müssen uns den komplizierten Debatten, die es da manchmal gibt, auch stellen."

"Megaphon-Diplomatie"

Der lettische Außenminister Edgars Rinkevics bezeichnete Asselborns Vorschlag als "Megaphon-Diplomatie". "Diese Rhetorik hilft uns nicht." Litauens Außenminister Linas Linkevicius meinte ebenfalls: "So radikale Statements sind nicht immer hilfreich." Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka teilte in einer Aussendung mit: "Wir werden niemanden aus der EU ausschließen." Die Forderung Asselborns bezeichnete er als "Unsinn".

Mlinar für Asselborn

Auch Österreichs EU-Abgeordnete wandten sich fast einhellig gegen den Vorschlag. Vertreter von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen waren dagegen, nur die NEOS-Abgeordnete Angelika Mlinar meinte, sie könne der Forderung Asselborns "viel abgewinnen".

Am Freitag treffen einander in der slowakischen Hauptstadt Bratislava die Staats- und Regierungschefs der EU. Sie wollen darüber beraten, wie die Union künftig aussehen soll, wenn Großbritannien den geplanten Austritt vollzogen hat. (APA, Reuters, 13.9.2016)