Wenn die USA und Russland einen neuen Anlauf zur Durchsetzung der "Einstellung der Feindseligkeiten" in Syrien verkünden, dann bedeutet das für die Menschen in den Kriegsgebieten akut erst einmal Angst und Schrecken: Auch diesmal nahmen die Kämpfe sofort an Fahrt auf, vor allem das Assad-Regime versucht noch, neue Tatsachen am Boden zu schaffen. Drei lange Tage ist diesmal die Vorlaufzeit zur geplanten Waffenruhe: von der Nacht auf den Samstag, als die Außenminister John Kerry und Sergej Lawrow in Genf vor die Presse traten, bis zum Sonnenuntergang heute, Montag. Das heißt, der Eintritt der Feuerpause soll mit dem Beginn des islamischen Opferfestes zusammenfallen, für die Bewohner Aleppos, Idlibs und anderer umkämpfter Orte wohl das schönste Festtagsgeschenk.

Allerdings, so weit, bei einer Waffenruhe, waren USA und Russland schon einmal, Ende Februar. Die Gemengelage in Syrien ist jedoch seitdem keinesfalls einfacher, sondern noch komplizierter geworden. Bereits vergangenes Jahr wurde beim Treffen der International Syria Support Group (ISSG) Mitte November in Wien der Plan entworfen, die "Rebellen" – die bei einer Waffenruhe nicht mehr vom Assad-Regime und seinen Unterstützern angegriffen werden dürften – von den von allen Arrangements ausgeschlossenen "Terroristen" zu separieren. Seitdem hat sich die Nusra-Front, eindeutig als terroristisch klassifiziert, von Al-Kaida zumindest nominell losgesagt, sich in Fatah-Front umbenannt, um die Hemmschwelle anderer Gruppen, mit ihr zu kooperieren, zu senken. Und das hat auch tatsächlich funktioniert.

Humanitäre Hilfe durch Waffenruhe

Auf die Rebellengruppen, die mit der militärisch starken Nusra/Fatah kooperieren, kommt nun eine harte Entscheidung zu: Wenn sie sich von ihr lossagen, sich gar territorial von ihr trennen und sie somit für Angriffe freigeben, und Assad hält sich dann doch nicht an die Waffenruhe, werden sie ganz eindeutig die Verlierer sein. Allgemein scheint die Stimmung unter den Rebellen zu sein, dass auf ihrem Rücken eine Konzession an das Assad-Regime gemacht wird.

Die große Chance für die russisch-amerikanische Übereinkunft, die diesmal ja sogar eine militärische Kooperation vorsieht, ist, dass die Waffenruhe wirklich signifikante humanitäre Hilfe besonders für Aleppo möglich macht. Die operativen Details wurden nicht veröffentlicht, aber Russland und USA dürften es diesmal nicht im Bereich des Vagen belassen, wenn sie die Entmilitarisierung der Castello Road als Versorgungsroute ankündigen. Je mehr der Plan schnell und effektiv den Menschen zugutekommt, desto schwerer wird er zu sabotieren sein.

Verbündete überzeugen

Wobei der schwierigste Teil für Moskau und Washington bleibt, ihre Klienten beziehungsweise Verbündeten zu überzeugen. Auf Seite der USA sind diese noch disparater als auf russischer, wo sich immerhin Assad und Iran bereits positiv äußerten – was die Skepsis nur noch erhöht. (Gudrun Harrer, 11.9.2016)