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Kerber könnte bei den US Open ihren zweiten Grand-Slam-Titel einfahren.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/Mike Hewitt

Die hervorragende polnische Küche ihrer Großmutter ist nicht der Grund dafür, dass Angelique Kerber erst jetzt, im recht reifen Tennisalter von 28 Jahren, zur 22. Nummer eins seit Einführung der Rangliste der Women's Tennis Association (1975) wurde. Nicht das Talent und der Hintergrund, sondern die Fitness stand aber lange Zeit zwischen dem Thron und der in Bremen geborenen Tochter eines polnischen Tennistrainers und dessen deutscher Frau.

Kerber, die seit ihrem dritten Lebensjahr in Kiel lebte, wo Vater Slavek seine Tennisschule betreibt, wurde immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen. 2011, nach elf Erstrundenniederlagen in Serie, wollte sie ihre Karriere sogar schon beenden, um Physiotherapeutin zu werden. Unter anderem Großmutter Maria, die Köchin, hielt die 1,73 Meter große Athletin davon ab. Kerber brachte sich danach in einer Offenbacher Tennisakademie in Topform und erreichte zwei Monate später erstmals das Halbfinale der US Open.

Im Jahr darauf gelang ihr beim WTA Premier in Paris der erste Turniersieg. Im Finale der US Open am Samstag könnte der zehnte gelingen, der zweite auf Grand-Slam-Ebene nach jenem in Australien im vergangenen Jänner.

Wurzeln

Kerbers Wurzeln und seit 2012 auch ihr offizieller Wohnsitz liegen in Puszczykowo, einem kleinen Vorort von Posen, in dem ihr Großvater Janusz Rzeznik eine Tennishalle betreibt, heute Tennis Centre Angie genannt. Sie spricht Polnisch so perfekt wie Deutsch, besitzt beide Staatsbürgerschaften, hat ihre privaten Freunde in Kiel, versteht sich auf der Tennistour aber am besten mit den Damen aus Polen wie den Schwestern Agnieszka und Urszula Radwanska oder mit Spielerinnen mit polnischen Wurzeln wie der Dänin Caroline Wozniacki.

Dass sich Kerber entschieden hat, als Deutsche und für Deutschland Tennis zu spielen – "ich bin in Deutschland aufgewachsen, mein Herz schlägt in Deutschland" – sorgte in Polen wiederholt für böses Blut und gehässige Schlagzeilen. Beruhigend wirkt, wenn sie Puszczykowo als jenen Ort preist, an dem sie am besten abschalten kann. Zudem kommt da wie dort ihr von Allüren und Skandalen freies Auftreten gut an. Einen neuen deutschen Tennisboom oder auch nur einen persönlichen Werbeboom konnte Kerber bis dato noch nicht auslösen. Als Nachfolgerin von Steffi Graf, der vor ihr letzten deutschen Nummer eins im Tennis, nimmt sie jetzt einen neuen Anlauf. (Sigi Lützow, 9.9.2016)