Bild nicht mehr verfügbar.

Mickey Mouse oder Minnie Mouse oder Betriebswirt – künftig werde nach Fähigkeiten und nicht nach Abschlüssen gefragt, glaubt Organisationsforscher Ayad Al-Ani.

Foto: APA/EPA/LYNN BO BO

Wien – Die wachsende Ungleichheit und die zusätzlichen Herausforderungen durch die Digitalisierung der Wirtschaft beschäftigen seit Jahren Wissenschafter wie Politiker. Das Erstaunliche: Nicht nur etwaige Auswege sind umstritten (Stichwort: Vermögenssteuern), selbst die Faktenlage ist nicht konsensfähig. Wenngleich ein Aufgehen der Schere in den Industriestaaten in vielen Untersuchungen konstatiert wird: Eine neue Studie besagt, dass die Ungleichheit in Deutschland in den letzten Jahren gesunken ist.

Laut dem arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft wurde die Schere von 2009 bis 2013 kleiner, weil das unterste Einkommenszehntel (plus 6,6 Prozent) viel stärker zulegte als die Verdienste des obersten Dezils (2,8 Prozent). Die Ungleichheit spielt sich aber ohnehin stärker im Vermögensbereich als bei den Einkommen ab. Hier weist Österreich laut einer Untersuchung der Europäischen Zentralbank eine besonders große Schieflage auf. Als Maßnahmen dagegen plädiert Julia Herr, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, nicht ganz überraschend für die Einführung von Vermögenssteuern. Doch auch bei den Roten verweist man auf die Gefahr von Kapitalabzug, weshalb eine international koordinierte Vorgangsweise gewünscht wird.

Gewinner und Verlierer

Herr sprach Donnerstagabend anlässlich der Präsentation eines im Czernin-Verlag erschienenen Buchs über Ungleichheit, das von Standard-Kolumnist Gerfried Sperl herausgegeben wurde. Sie betonte die Absurdität einer Gesellschaft, in der Arbeitslosigkeit grassiere und 1,2 Millionen Menschen von Armut bedroht seien, während Konzerne wie McDonald's dank diverser Schlupflöcher faktisch keine Steuern zahlten. Scharfer Widerspruch kam von Barbara Kolm, der Präsidentin des Hayek-Instituts. "Es wird immer Gewinner und Verlierer geben", erklärte sie und sprach sich vehement gegen Anspruchsdenken und Versorgungsmentalität aus: "In Österreich versuchen wir, alles über einen Kamm zu scheren und es allen recht zu machen."

Apropos Hayek: Den bezeichnete Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister als Mastermind der Ungleichheit. Der österreichische Ökonom sei als "größter ideologischer Krieger" gegen die Dominanz von Gewerkschaften, Sozialstaat und die Vorherrschaft von John Maynard Keynes zu Felde gezogen. Während in den 1950er- und 1960er-Jahren Vollbeschäftigung und ein Anstieg der Gleichheit einhergingen, habe Hayeks "Generaloffensive" zur Liberalisierung der Finanzmärkte, zum Ende des Währungssystems von Bretton Woods und zur Infiltration dominanter Institutionen mit neoklassischen Ökonomen geführt. Die Folgen seien heute unübersehbar: hohe Ungleichheit und anhaltende Krise.

Problemlösungskompetenz gefragt

Organisationsforscher Ayad Al-Ani appellierte angesichts der Digitalisierung und der dadurch drohenden Vergrößerung der Kluft zwischen Arm und Reich an die Politik, das gesellschaftliche System rechtzeitig zu gestalten. Künftig werde nach Fähigkeiten und nicht nach Abschlüssen gefragt, nannte er ein Beispiel. "Sie können auch Mickey Mouse 48 heißen: Wenn Sie Probleme lösen können, sind Sie dabei." (as, 10.9.2016)