Die Witze und fiktiven Filmtitel, die hinsichtlich des Dramas rund um die Wahlkarten in den sozialen Medien kursieren, sind lustig – die meisten zumindest. Das ist noch die beste Art, dieses Fiasko zu verarbeiten. Durchaus ernsthaft wird auch die Frage diskutiert, ab wann die Obergrenze für schadhafte Wahlkarten und ein Notstand erreicht sind.

Ein demokratiepolitischer Notfall ist bereits eingetreten, und die Lage ist ernst: Es ist peinlich für das Innenministerium, dass die Behörden offenkundig nicht fähig sind, die Bundespräsidentenwahl gesetzeskonform hinzukriegen. Es zeigt das Versagen zuständiger Behörden in einem Kernbereich der Demokratie, das Grundrecht auf Wahlen ist gefährdet. Und Österreich wird international zum Gespött – zur Würstlstandrepublik.

Uhu-Stic-Land

Die typisch österreichische Wurschtigkeit bei der Durchführung des Urnengangs nach dem Motto "Haben wir immer schon so gemacht" hat bereits zur Aufhebung der Stichwahl geführt. Dass jetzt nach dem Auftauchen fehlerhafter Kuverts sogar auf der Hotline des Innenministeriums besorgten Anrufern geraten wird, den Umschlag mit Uhu-Stic zuzukleben, passt dazu. Es wird wohl in der Vergangenheit so gemacht worden sein, so wie andere Vorgänge auch, die im Zuge der Anhörung vor dem Verfassungsgericht ans Licht kamen. Rechtlich korrekt ist das nicht. Aber bisher galt: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Es gab zwischen den politischen Parteien in Österreich auch eine Art Vertrauensgrundsatz, der Misstrauen Platz gemacht hat – auch aufseiten der Bürger. Dies drückt sich in der gestiegenen Polarisierung aus, die die Gesellschaft in diesem Land erfasst hat. Nicht nur der Kleber auf den Wahlkuverts, auch der Grundkonsens in der Zweiten Republik löst sich auf.

Rat zur Manipulation

Beim Rat, einen Klebstoff zum Verschließen des Umschlags zu verwenden, handelt es sich eigentlich um einen Aufruf zur Manipulation von einem Ministeriumsmitarbeiter, der wissen müsste, dass diese Vorgangsweise rechtlich nicht korrekt ist und diese Wahl unter besonderer Beobachtung steht. In einem anderen Land würden personelle Konsequenzen gezogen werden. Aber in Österreich vermittelt auch der Leiter der Wahlbehörde stets den Eindruck, es sei eh alles in Ordnung.

Es müssen alle Bedingungen für eine gesetzeskonforme Wahl gegeben sein, ehe die wahlberechtigten Bürger erneut ihre Stimme abgeben. Alles andere schafft Unsicherheit und verschärft das Misstrauen gegenüber dem Staat. Dass just der blaue Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer diese Zweifel schürt und vorschlägt, auf Wahlkarten zu verzichten, ist durchsichtig – hatten doch in den beiden Urnengängen davor mehr Wahlkartenwähler für seinen Konkurrenten Alexander Van der Bellen gestimmt.

Nach all dem, was bisher publik wurde, besteht die Gefahr, dass der Verfassungsgerichtshof erneut angerufen wird. Da sich die Höchstrichter im Juni auf die bisherige Rechtssprechung berufen haben, würden sie diesmal auch auf ihre eigene Entscheidung Bezug nehmen können. Da als eine Begründung die Möglichkeit zur Manipulation genannt wurde und dies durch schadhafte Kuverts gegeben wäre, ist bei einem knappen Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer erneuten Aufhebung auszugehen.

Wenn auch nur der geringste Zweifel besteht, dass die Wahl am 2. Oktober nicht korrekt durchgeführt werden kann, sollte sie verschoben werden. (Alexandra Föderl-Schmid, 9.9.2016)