Bewährt in innerparteilicher Sozialpartnerschaft: August "Gust" Wöginger übernimmt am Samstag die ÖAAB-Spitze.

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Wofür der Bauernbund steht, ist selbsterklärend. Wofür der Wirtschaftsbund steht, ebenso. Aber der ÖAAB? Gegründet wurde der Österreichische Arbeiter- und Angestelltenbund am 14. April 1945 noch vor der ÖVP, Lois Weinberger wurde sein Obmann und blieb es 15 Jahre lang. Weinberger kam wie der zum (Ehren-)Präsidenten ernannte Leopold Kunschak aus der Christlichsozialen Partei der Zwischenkriegszeit, war durch Gestapo-Folter und KZ-Haft gegangen und war ein scharfer Gegner des Nationalismus, des Marxismus, aber auch des Kapitalismus.

Die Funktionäre des ÖVP-Arbeitnehmerbundes waren damals – wie viele katholische Intellektuelle – besorgt, dass mit dem Sieg der Alliierten eine vom Liberalismus des 19. Jahrhunderts geprägte Wirtschaftsordnung durchgesetzt würde, was als kaum weniger bedrohlich eingeschätzt wurde als die ebenso drohende Machtübernahme der Kommunisten.

Gestützt auf die katholische Soziallehre, wurde 1946 das "Wiener Programm" beschlossen, das auf Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand drängte, und zwar sowohl im Hinblick auf Wohnungseigentum als auch im Sinne eines Miteigentums an den Produktionsmitteln – ein Gedanke, der bei den anderen Teilorganisationen der vom ÖAAB mitgegründeten Volkspartei den Ruf des Linksabweichlertums hervorrief.

Verbalradikalismus

Verbale Bekenntnisse zur Umverteilung kamen immer wieder aus dem ÖAAB – zuletzt überraschte die damals zur ÖAAB-Chefin bestellte Johanna Mikl-Leitner beim ÖAAB-Bundestag vor fünf Jahren mit der kämpferischen Ansage gegen "Abzocker", "Börsenspekulanten" und "Spitzenverdiener", denen sie vorwarf: "Die haben sowieso keinen Sinn für das Gemeinsame, für die Gemeinschaft. Dann sage ich bei denen nur: Her mit den Millionen, her mit dem Zaster, her mit der Marie!"

Es blieb der letzte Anlauf Mikl-Leitners zur Umverteilung – wohl auch weil ihr Parteifreunde klargemacht haben, dass Umverteilung eben nicht auf der Agenda der ÖVP steht.

Soziales aber schon. Das hat der ÖAAB vor allem in der Ära der schwarz-blauen Koalition durchzusetzen versucht – mit zumindest einem durchschlagenden Erfolg: Die "Abfertigung neu" – die allen Arbeitnehmern einen Abfertigungsanspruch auch bei Selbstkündigung garantieren sollte – wurde 2002 einstimmig beschlossen – allerdings mit einem Schönheitsfehler: Um die Wirtschaft durch die Systemumstellung nicht allzu sehr zu belasten, wurde der Arbeitgeberbeitrag auf 1,53 Prozent festgelegt.

Schon damals war absehbar, dass es sich mit diesem niedrigen Beitrag nicht ausgehen würde, dass jeder Arbeitnehmer am Schluss seines Arbeitslebens ein Jahresgehalt angespart (oder ausbezahlt bekommen) haben würde. Gedacht war, dass die Arbeitgeberbeiträge rasch auf 2,5 bis drei Prozent angehoben werden.

Schaumgebremst

Aber der Wirtschaftsbund blockt dies ab. Viele ÖAAB-Funktionäre wären schon zufrieden, wenn der Dienstgeberbeitrag wenigstens auf zwei Prozent erhöht würde. Und der nach dem Abgang Mikl-Leitners als ÖAAB-Chef designierte bisherige Generalsekretär Gust Wöginger ist zurückhaltend – er pflegt als stellvertretender Klubchef der ÖVP die innerparteiliche Sozialpartnerschaft mit Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner, ebenfalls ein Stellvertreter von Reinhold Lopatka.

Im aktuellen Programmvorschlag steht die Forderung wieder drin – schaumgebremst und mit dem Hinweis auf die weitergehende Wünsche der Wirtschaft: "Diese Maßnahme müsste jedenfalls bei einer weiteren Senkung der Lohnnebenkosten miterledigt werden."

Zweiter inhaltlicher Schwerpunkt des ÖAAB ist seit den 1960er-Jahren das Arbeitszeitthema – wobei Flexibilisierung und die Bereitstellung von Teilzeitarbeitsplätzen der sozialdemokratischen Forderung nach Arbeitszeitverkürzung entgegengestellt werden. Auch hier gab es einige Fortschritte – doch das noch unter ÖAAB-Chef Michael Spindelegger (2009 bis 2011) erfundene Konzept eines "Zeitwertkontos" ist nicht einmal unter den Mitgliedern populär geworden.

Im Arbeitsprogramm, das am Samstag beim Bundestag in Graz beschlossen werden soll, steht es wieder drin.

Erfolgreiche Personalpolitik

Umso erfolgreicher ist die Personalpolitik des ÖAAB: Im öffentlichen Dienst dominiert er die Gewerkschaft – und ist überaus erfolgreich: Kein anderer Gewerkschaftschef hat für seine Mitglieder derart viel erreichen können wie Fritz Neugebauer. Das hat neoliberale Kritiker ebenso wie sozialdemokratische Neider auf den Plan gerufen. Neugebauer bekam das Image eines Blockierers und Betonschädels verpasst – was zumindest teilweise auch auf den ÖAAB abgefärbt hat. Dass der ÖAAB im Westen eine Arbeitnehmermehrheit auch in der freien Wirtschaft hinter sich hat und in Tirol und Vorarlberg seit Jahren den AK-Präsidenten stellt, wird darüber leicht vergessen.

Auch in der Partei besetzt er immer wieder Spitzenpositionen: Zwei ÖVP-Obleute wurden unmittelbar Parteichefs (Alois Mock und Spindelegger), oft hat sich der ÖAAB in den Bundesländern (derzeit: Steiermark und Tirol) die Landeshauptmannfunktion gesichert. Und auch ÖVP-Generalsekretär Werner Amon kommt aus dem ÖAAB, wo er 2003 bis 2009 Generalsekretär war.

Wofür das Kürzel ÖAAB steht, ist übrigens nicht ganz klar, die Teilorganisation hat sich mehrfach neu definiert, unter anderem als "Österreichs Aktive Arbeitnehmer Bewegung" und als "Österreichischer Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnen Bund". (Conrad Seidl, 10.9.2016)