Graz – Der Artikel mit dem Titel "Mauthausen-Befreite als Massenmörder", der im Sommer 2015 im stramm rechten Monatsmagazin "Aula" erschienen ist, hat bisher noch jeden damit befassten Richter empört. Doch zu einer Verurteilung des Verfassers oder des Medieninhabers (Aula Verlag GmbH) ist es bisher nicht gekommen. Auch am Freitag wurde im Grazer Straflandesgericht eine Privatklage von überlebenden KZ-Häftlingen wegen übler Nachrede und Beleidigung abgewiesen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Konkret stand nicht der Originalartikel zur Diskussion, der wäre schon verjährt, sondern ein Nachfolgeartikel in der "Aula", in dem über das allererste Verfahren nach dem Verbotsgesetz berichtet worden war. Die Grazer Staatsanwaltschaft hatte dieses Ermittlungsverfahren eingestellt – der STANDARD berichtete. In der Begründung hatte es geheißen, es sei "nachvollziehbar, dass die Freilassung mehrerer tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte". In dem Artikel waren KZ-Überlebende auch als "Landplage" und "Kriminelle" bezeichnet worden.

Justizgeschichte lernen

Diese Begründung der Anklagebehörde sorgte für Riesenempörung – auch im Justizministerium. Ressortchef Wolfgang Brandstetter (ÖVP) veranlasste, dass alle angehenden Richter und Staatsanwälte verpflichtend "Justizgeschichte" lernen müssen.

Dennoch feierte die "Aula" ihren Sieg in einem Nachfolgeartikel, in dem wesentliche Behauptungen wiederholt wurden. Und dieser Artikel war Gegenstand der nunmehrigen Beleidigungsklage. Richter Christoph Lichtenberg hatte die Frage zu klären, ob durch die Veröffentlichung eine individuelle Erkennbarkeit der Kläger gegeben sei. Denn nur dann sind üble Nachrede und Beleidigung erfüllt. Im Nachfolgeartikel, und nur den habe er zu bewerten, sei das nicht der Fall, erklärte der Richter. Auch der zweite Artikel sei zwar "tendenziös" und beinhalte "Geschichtsverdrehung und Geschmacklosigkeit", aber er gebe lediglich die Inhalte des Erstartikels wieder.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Rechtsanwalt Lukas Gahleitner hatte argumentiert, dass auch der zweite Artikel die Kläger sehr wohl persönlich betroffen habe, dass einige davon auch medial bekannt seien und in Schulen als Zeitzeugen Vorträge halten. Er und Rechtsanwältin Maria Windhager kündigten Berufung an, sie wollen den Fall, wenn nötig, bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg bringen. "Bisher gibt es zu dieser speziellen Rechtslage noch wenig Judikatur", so Windhager zum STANDARD.

Man darf gespannt sein, ob und wie die "Aula" über den Fall weiter berichtet. Laut einstweiliger Verfügung, in der die persönliche Betroffenheit der Klagenden zivilgerichtlich sehr wohl bejaht wurde, darf die rechtsrechte Postille frühere KZ-Häftlinge nicht mehr als "Massenmörder" oder "Landplage" verunglimpfen. Auch der Presserat hat den Artikel als "schweren Verstoß gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse" verurteilt. (simo, 9.9.2016)