Espen Egil Hansen und die Titelseite der "Aftenposten".

Foto: Aftenposten

Oslo – "Hör zu, Mark, das ist ernst": Der Chefredakteur der norwegischen Zeitung "Aftenposten" übt scharfe Kritik an Facebook. In einem offenen Brief an dessen Chef Mark Zuckerberg erklärt Espen Egil Hansen, Chefredakteur und CEO der Zeitung, warum er der Aufforderung zur Löschung eines Fotos auf Facebook nicht nachkommt.

Anlass ist das weltberühmte Foto eines nackten Mädchens, das im Vietnam-Krieg vor Napalm-Bomben flieht. Facebook hat die Zeitung laut Hansen aufgefordert, das Foto von seiner Facebook-Seite zu löschen, sowohl das Bild als auch den dazugehörigen Artikel dann aber selbst gelöscht.

In dem Artikel auf Facebook-Seite hatte die Zeitung über den norwegischen Autor Tom Egeland berichtet, den das soziale Netzwerk vor einigen Wochen blockiert hatte, nachdem er sieben berühmte Kriegsfotos – darunter das mit dem nackten Mädchen – auf seiner Facebook-Seite gepostet hatte. Wegen der Veröffentlichung erlitt die Zeitung nun dasselbe Schicksal.

Das ikonische Foto des "Napalm Girl" aus dem Vietnam-Krieg.
Foto: Nick Ut

"Zuerst stellst du Regeln auf, die nicht zwischen Kinderpornographie und berühmten Kriegsfotos unterscheiden", schreibt Hansen an Zuckerberg, "Dann praktizierst du diese Regeln ohne Ermessensspielraum".

"Mächtigster Chefredakteur der Welt"

Zuckerberg als der "mächtigste Chefredakteur der Welt" missbrauche seine Macht, argumentiert Hansen, denn es sei auch Aufgabe der Medien, unangenehme Inhalte und Fotos zu veröffentlichen. "Die Medien tragen die Verantwortung, eine Veröffentlichung in jedem einzelnen Fall abzuwägen", dieses Recht sollte "nicht von Algorithmen untergraben werden".

Hansen fordert Facebook auf, "geographisch differenzierte Richtlinien" für die Veröffentlichung von Inhalten festzulegen. Außerdem soll zwischen Chefredakteuren und anderen Usern unterschieden werden.

Facebook: Schwierig, bei nackten Kindern zu unterscheiden

Facebook erklärte zunächst, es sei schwierig, bei Fotografien mit nackten Kindern einen Unterschied zu machen und die Veröffentlichung in einem Fall zu erlauben und in einem anderen nicht. "Wir versuchen, die richtige Balance zu finden zwischen der Möglichkeit für Menschen, sich auszudrücken, und einer sicheren und respektvollen Umgebung für unsere globale Gemeinschaft. Unsere Lösungen werden nicht immer perfekt sein, aber wir werden versuchen, unsere Regeln und die Art, wie wir sie anwenden, zu verbessern."

Am Freitagabend stellte Facebook den Zeitungsbericht wieder online. Obwohl auf dem Bild ein unbekleidetes Kind zu sehen sei, erkenne das Online-Netzwerk die historische Bedeutung des Fotos an, hieß es am Freitag in einer Facebook-Stellungnahme beim Technologieblog "Recode". (red, APA, 9.9.2016)