D'oh! Homer Simpson arbeitet sich seit 27 Staffeln und über 580 Episoden an den USA ab.

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Christoph Jablonka ist die neue deutsche Synchronstimme von Homer Simpson.

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Wien – Norbert Gastell hatte Homer Simpson 26 Jahre lang seine deutsche Stimme geliehen. Er starb im November 2015 im Alter von 86 Jahren. Beim Casting für die neue Stimme des gelben Familienvaters setzte sich Christoph Jablonka (60) gegen fast 100 andere Synchronsprecher durch.

STANDARD: Zur Vorbereitung haben Sie Charaktereigenschaften von Homer Simpson destilliert, um die Stimme zu trainieren. Welche?

Jablonka: Anhand der Figur und der Stimme von Norbert Gastell habe ich versucht zu eruieren, welche Eigenschaften Homer hat, und kam dann auf ein handgeschriebenes Blatt von über 30 Haltungen. Die reichen von kindisch über schnell reizbar bis zu familientauglich und zynisch. Homer ist zwar schnell aufgeregt, hat aber eine wesentliche Eigenschaft: Er ist grundentspannt. Bei allen Irritationen und Narreteien ist er kein Neurotiker. Die Fährnisse seines Lebens hat er wohl nur aufgrund einer gewissen Grundentspanntheit überleben können.

STANDARD: Und Naivität und das Dümmliche waren wohl auch dabei?

Jablonka: Natürlich, das sind ja seine hervorstechenden Eigenschaften. Manchmal ist er auch nur tapsig, oder dass er auf eine gewisse Weise zu sehr Kind geblieben ist. Trotz allem ist er aber auch sehr freundlich und positiv.

STANDARD: Sie waren vorher kein großer "Simpsons"-Fan, oder?

Jablonka: Ich kannte die Serie natürlich, sah sie beim Rumschauen auf den Programmen, und oft blieb ich da auch eine Zeitlang hängen. Vorher war ich bereits für kleine Rollen bei den "Simpsons" engagiert. Die Serie war mir also bekannt, ich mochte sie gerne, auch den Homer, war aber keiner dieser eingefleischten Fans, die sich jede Folge ansehen.

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STANDARD: Und jetzt?

Jablonka: Nachdem ich meine erste Staffel synchronisiert habe, wurde mir klar, wie ironisch die USA in der Serie mit ihrem "Way of Life" betrachtet werden. Da wird viel karikiert, es ist teilweise sehr hintersinnig und lustig. Bekanntes Beispiel dafür, wie sehr die Serie im Hier und Jetzt des amerikanischen Lebens verhaftet ist, ist das Auftauchen Donald Trumps als Präsident. Ich glaube, das war schon vor zehn Jahren der Fall. Lustigerweise war ich selbst vor langer Zeit einmal die deutsche Stimme von Donald Trump in der Serie "The Apprentice". Trump hatte hemdsärmelig alle Praktikanten in der Show, die die Vorgaben nicht erfüllten, auf eine witzige und knallharte Art rausgeschmissen.

STANDARD: Wie sind Donald Trump und Homer Simpson stimmlich unter einen Hut zu bringen? Vom Intellekt her würden sie wohl manche vergleichen.

Jablonka: So weit würde ich nicht gehen wollen, sie zu vergleichen. (lacht) Trump klang damals recht männlich und entschlossen. Er hatte Macherqualitäten, da legt man die Stimme anders an als etwa bei Homer Simpson, der zu sehr ein Blatt im Wind ist.

STANDARD: Wie sind Sie zu Homer Simpson gekommen? In der Auswahl waren 100 Synchronsprecher.

Jablonka: Ich wurde ganz offiziell zu dem Casting eingeladen, das in München stattfand. Vorbereitet habe ich mich anhand alter Folgen, die im Internet zu finden sind. Mein Training begann eine Woche vor dem Casting mit Norbert Gastells Stimme im Ohr, um genau seine Bögen zu erwischen, seine Kiekser imitieren zu können und seine Stimmlage zu treffen.

STANDARD: War Norbert Gastell das Vorbild, an dem sich die Stimme orientieren musste?

Jablonka: Mir ist nichts anderes eingefallen. Erstaunlicherweise. Es gab es nicht den Hauch einer Idee, wie sich das anhören könnte, und mir kam nur in den Sinn, mich an meinem Vorbild zu orientieren. Für mich und meine Stimmlage ist das auch genau das Richtige.

STANDARD: Wie ist es, in die Fußstapfen eines Synchronsprechers zu treten, der Homer Simpson über 26 Staffeln begleitet hat?

Jablonka: Ich kannte ihn als guten Kollegen ausgezeichnet. Wir trafen uns oft in den Studios zwischen Tür und Angel und haben uns sehr gut verstanden. Es gab eine große menschliche Gemeinsamkeit. Auch von dieser Seite war es für mich naheliegend, akustisch die Fortsetzung von Norbert Gastell zu sein.

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STANDARD: Als Anke Engelke Marge synchronisierte, gab es anfangs viele kritische Reaktionen, weil das im Vergleich zur Vorgängerin ein ziemlicher Bruch war. Hatten Sie dieses Beispiel vor Augen, als Sie den Job antraten?

Jablonka: Das ist vielleicht ein Begleiteffekt, war aber von mir nicht deswegen so intendiert oder meine persönliche Motivation. Mir fiel nichts anderes ein, so einfach ist es.

STANDARD: Bis jetzt wurde eine Staffel synchronisiert. Wie lange dauert das, und wie geht die Arbeit über die Bühne?

Jablonka: Die Arbeit selbst ist sehr ruhig. Eine Folge dauert zwischen vier und sechs Stunden. Im Studio befindet sich ein Synchroncutter, der schaut, dass die Worte genau auf die Lippen passen und man nicht zu langsam oder zu schnell ist. Hinter einer Glasscheibe sitzt mit Matthias von Stegmann der Regisseur und Spiritus Rector. Er übersetzt die Texte ins Deutsche und bringt dabei seinen Humor und seine Gags ein. Er gibt Anweisungen und führt Regie. Der Vierte im Bunde ist der Toningenieur, der für die gute Qualität der Aufnahmen sorgt.

STANDARD: Synchronisiert wird immer alleine? Ohne Marge?

Jablonka: Ja, ich kenne die Münchner Kollegen, die bei den "Simpsons" mitwirken, aber Marge kenne ich nicht. Ich habe Anke Engelke noch nie getroffen.

STANDARD: Werden Verträge langfristig abgeschlossen, oder hanteln Sie sich von Staffel zu Staffel?

Jablonka: Das geht von Staffel zu Staffel. In der Branche ist es ungewöhnlich, dass längere Verträge abgeschlossen werden. Selbst für Stimmen, die bleiben. Das hat mehr Vorteile als Nachteile, weil es mehr Freiheit für alle bringt.

STANDARD: Die Synchronstimme bei Serienfiguren zu wechseln ist für Zuseher ein ziemlicher Bruch. Das gibt den Sprechern gute Karten in die Hand, um zu verhandeln, oder?

Jablonka: Ja, aber man weiß natürlich nie, was die Zukunft bringt. Ich war ein "Star Trek"-Fan von den Folgen, die in den 80er-Jahren mit Jean-Luc Picard liefen. Seine Stimme wechselte von einem vorher schwer grübelnden, philosophisch orientierten Menschen, der die Last des Raumschiffs und der Besatzung auf seinen Schultern trägt und jede Entscheidung dreimal abwog, zu einer Stimme, die mehr der Originalstimme von Patrick Stewart entsprach. Direkter und männlicher. Als Fan dieser Serie brach beim Stimmenwechsel für mich eine Welt zusammen. Ich kann die Fans der "Simpsons" gut verstehen, dass sie wegen der neuen Stimme von Homer sehr irritiert sind.

STANDARD: Wie waren die Reaktionen der "Simpsons"-Fans?

Jablonka: Mehrheitlich positiv. Anerkannt wurde, dass der Versuch einer Kontinuität da ist. Viele fanden es gut, einige waren natürlich enttäuscht. So ist es halt einfach.

STANDARD: Ist das für Sie auch eine Art Verpflichtung gegenüber den Fans, dass Sie die nächsten 20 Jahre Homer synchronisieren werden, sollte es ihn so lange geben?

Jablonka: So weit denke ich nicht. Ich bin auf jeden Fall für alle Abenteuer offen. Gerade auch in Bezug auf die "Simpsons".

STANDARD: Kürzlich sind neben Norbert Gastell auch die deutschen Synchronstimmen von Tom Hanks und Bud Spencer gestorben. Bud Spencer selbst ist tot, aber: Ist das eine Art von Verantwortung gegenüber den Zusehern, mit der man erst umzugehen lernen muss?

Jablonka: Davon muss man sich befreien. Das Leben ist das Leben, und das haben wir nicht in der Hand. Es ist eher ein Problem für die Fans und das Publikum. Wir alle versuchen gesund zu bleiben, aber tja: Glück auf für uns alle, kann ich nur sagen.

STANDARD: Gerade die Stimme von Tom Hanks war sehr markant.

Jablonka: Arne Elsholtz, ja. Er war ein großartiger Kollege. Unter künstlerischen Gesichtspunkten ist es immer tragisch, keine Frage, wenn so etwas aufhört. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Menschen mit Stimmen aufwachsen und die wichtiger sind, als man gemeinhin annehmen mag. Eigentlich ist das der Beweis dazu.

STANDARD: Wird Ihnen dafür auch genügend Wertschätzung entgegengebracht? Ihr Kollege Benjamin Völz hat kritisiert, dass die Gagen nicht adäquat sind und es an Ansehen fehlt.

Jablonka: Ich sehe das pragmatisch. Die Gagen sind so, wie sie sind. Klar hätte jeder gerne, dass sie höher wären, trotzdem ist es ein schöner Beruf und vergleichsweise gut bezahlt. Ich möchte die Farbigkeit und die Abenteuer nicht missen.

STANDARD: Gibt es so etwas wie eine Traumrolle?

Jablonka: Ich hatte kürzlich eine tolle Rolle in einer frankokanadischen Serie. Ich war ein Kommissar. Ein Ex-Alkoholiker, der eine zweifelhafte junge Frau verehrt und alle möglichen merkwürdigen Dinge erlebt. Eine Visionsrolle in dem Sinne habe ich weniger.

STANDARD: Keinen Schauspieler, den Sie unbedingt synchronisieren möchten?

Jablonka: Nein, dafür wäre ich jetzt aber auch zu alt. Die Synchronstimmen wachsen normalerweise mit den Schauspielern auf, sind oft etwas älter als die Schauspieler und bleiben ihnen eigentlich ein Leben lang. Entweder stirbt der Schauspieler oder die Synchronstimme. Im Normalfall beginnt man früh, einen späteren Star zu synchronisieren; oft schon im Jugendalter oder als früher Zwanziger. Ich bin erst mit 33 Jahren in das Metier gekommen, da waren die meisten Stimmen bereits vergeben.

STANDARD: Sie arbeiten als Freier. Für Synchronsprecher scheint es keine Pension zu geben. Norbert Gastell hat bis 86 gearbeitet.

Jablonka: Für einen Selbstständigen ist es natürlich vernünftig, vorzusorgen und zu sparen. Dieses gutbürgerliche "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not" bewahrheitet sich dann.

STANDARD: Haben Sie eine Lieblingsfigur bei den "Simpsons"?

Jablonka: Mir gefällt Bart als Figur sehr gut. Wen ich auch schätze, ist der Großvater. Aber ich mag sie alle. Natürlich speziell meine liebe Frau Marge, wenn auch unbekannterweise. (Oliver Mark, 10.9.2016)