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Zoran Milanovic setzt diesmal auf Nationalismus und zog über die Nachbarstaaten Serbien und Bosnien-Herzegowina her. Als der Chef der Sozialdemokraten am Mittwoch in Zagreb auftrat, gab es Freibier.

Foto: REUTERS/Antonio Bronic

"Die Brücke hat meine Stimme verloren. Die Partei war zu weich gegenüber den anderen. Jetzt gehen die Most-Wähler wieder zu den zwei großen Lagern zurück", sagt der 27-jährige Marko S. und wischt sich den Schweiß von der Stirne. Bei der letzten Wahl vergangenen Herbst konnte die "dritte Option" noch aus dem Nichts 13 Prozent der Stimmen erringen. Nach nur zehn Monaten wird nun schon wieder gewählt, weil die Koalition zwischen Most und der konservativen HDZ nur ein halbes Jahr hielt – HDZ-Chef Tomislav Karamarko, der unter Korruptionsverdacht geraten war, brachte sie im Juni zu Fall.

Früher alles besser

"Warum soll ich das nochmals wählen?", fragt Marko, der in der Touristikbranche arbeitet und diesmal wieder für Sozialdemokraten (SDP) stimmen wird. Zu dem Werbestand der SDP hier auf dem Hauptplatz von Zagreb, der nach Joseph Graf Jelacic von Buzim benannt ist, der Mitte des 19. Jahrhunderts die Leibeigenschaft abschaffte, kommen fast nur ältere Leute. "Hauptthema ist, dass früher alles besser war", erzählen die Jugendlichen in roten T-Shirts, die für die SDP werben.

Der 65-jährigen ehemaligen Köchin Katica M. (zartrosa Korallenkreuz um den Hals, monatlich 200 Euro Pension) geht das Gerede von den "besseren Zeiten" im Kommunismus aber schon auf die Nerven. "Was hilft mir jetzt noch der Tito?", sagt sie und weitet ihre Augen zu einem ernüchterten Gesicht. Im Moment ist ihre größte Sorge, dass sie ein Medikament braucht, das 35 Euro kostet, und sie das Geld nicht hat. Politiker seien Leute, die "Schokolade versprechen" und dann "nichts hergeben". Sie wird aber wieder SDP wählen, wie sie es ihr ganzes Leben lang getan hat.

Der Wahlkampf ist adäquat zur Armut im Land sparsam. Die jungen Roten verteilen Wasserflaschen und sprechen sich gegen eine große Koalition mit der HDZ aus. "Bei uns bleibt es links gegen rechts." Auch Most sei keine Option. "Da ist es noch besser, wir machen eine dritte Wahl", sagen sie.

Wind kommt auf und wirbelt die Flyer vom Boden auf. Die Holzstände der Parteien stehen so eng beieinander, dass die Zettel mit den Gesichtern der gegnerischen Kandidaten vor konkurrierenden Parteifunktionären herabsegeln. Konkrete Reformschritte sind auf den Papieren allesamt nicht abzulesen.

Jahrelanger Reformstillstand

Denn Reformen sind unpopulär, weil Staatsbedienstete entlassen werden müssten. Viele Vorschläge vergilben deshalb seit Jahren in den Schubladen der Parteien und Ministerien. Die Konjunktur hat sich zwar vergangenes Jahr erholt, doch die Jugendarbeitslosigkeit liegt weiter bei 43 Prozent. Die EU-Fonds werden nur zu 60 Prozent abgeschöpft.

Ivo R. (dunkelblauer Anzug, schwarze, streng gekämmte Haare) versucht mit seinen Landsleuten geduldig zu sein: "Wenn Sie mich fragen, brauchen wir Reformen. Aber das verstehen die Leute noch nicht." Die HDZ-Wähler würden eher wissen wollen, ob die "Kommunisten endlich aus dem Staatsdienst entlassen würden".

Tatsächlich beschäftigen sich viele Kroaten noch immer am liebsten mit der Vergangenheit (Partisanen gegen Ustascha) und sind mental noch nicht in der Markwirtschaft angekommen. Nutzt es, dass der EU-Parlamentarier Andrej Plenkovic die Partei übernommen hat? "Die meisten sagen, dass er ziemlich gut aussieht", meint Ivo, der noch viel besser aussieht. Viele HDZ-Anhänger wollten aber eher Ex-Kulturminister Zlatko Hasanbegovic wählen. "Er ist für sie ein Held, weil er sich gegen die Linke gestellt hat", erklärt der junge Konservative. Ivo verteilt Äpfel, die zum HDZ-Stand geliefert wurden.

Daneben, beim Stand der Most, wirbt man für Altruismus, das Auslöschen des korrupten Systems und verteilt Feuerzeuge. (Adelheid Wölfl aus Zagreb, 9.9.2016)