Es heißt oft, der französische Staatschef lebe im Élysée-Palast in einer Blase, abgekoppelt von seinen Bürgern wie einst der König in Schloss Versailles. Da häufen sich für François Hollande die Umfragen, die nicht anders als katastrophal zu nennen sind: Anfang der Woche ist eine von diesen zum Schluss gekommen, dass der amtierende Staatschef bei allen Szenarien, sprich: Gegenkandidaten, den Kürzeren ziehen und im Mai 2017 nicht einmal in die Stichwahl vordringen würde. Jetzt zeigt eine weitere Erhebung, dass 88 Prozent der Franzosen keine neue Kandidatur des 62-jährigen Sozialisten wünschen. Bedenklich für ihn ist vor allem, dass auch 72 Prozent der Linkswähler dieser Meinung sind.
Hollande macht zu dem bösen Spiel das, was er seit Jahren macht: gute Miene. In bester Laune hielt er am Donnerstag eine Grundsatzrede, die sein Präsidialamt als "sehr wichtig" bezeichnet hatte – und das nicht nur, weil sie das in Frankreich so aktuelle Thema Terrorismus und Demokratie betraf.
Hollande versuchte mit dem betont staatsmännischen Auftritt, sich den Franzosen ganz einfach in Erinnerung zu rufen. Denn die meisten Medien und Parteien haben ihn schon abgeschrieben und kümmern sich nur noch um die wirklichen Präsidentschaftsfavoriten – Nicolas Sarkozy, Alain Juppé und Marine Le Pen auf der rechten oder Emmanuel Macron oder Arnaud Montebourg auf der linken Seite.
Kein Burkini-Gesetz
Hollande sagte viel Grundlegendes, ja Wichtiges: Die französische Republik sei immer stark gewesen, wenn sie einig geblieben sei, und habe immer verloren, wenn sie nachgegeben habe. Oder: Ein "Gelegenheitsgesetz" zum islamischen Badekleid Burkini komme für ihn nicht infrage. Oder: Der Islam sei kompatibel mit den Gesetzen der Republik. Bedeutungsschwer deklamierte der Präsident: "Ich werde es nicht zulassen, dass das Bild Frankreichs in den kommenden Monaten oder Jahren ruiniert wird."
Für die Pariser Journalisten war dies das bisher deutlichste Zeichen dafür, dass Hollande nochmals antreten werde. Offiziell will er sich erst im Dezember festlegen. Die ganze Rede glich aber schon verdächtig einem Wahlkampfauftritt. Frontal griff der Präsident Oppositionschef Sarkozy an, der die verfassungsrechtlichen Hürden gegen die Inhaftierung von Salafisten auf bloßen Verdacht hin als "juristische Haarspaltereien" abgetan hatte. Maliziös fragte Hollande zurück, ob die generelle Unschuldsvermutung – auf die sich Sarkozy bei seinen persönlichen Justizaffären so gerne beruft – vielleicht auch eine solche Haarspalterei sei.
Gayet auf Titelseite
Das womöglich stärkste Indiz dafür, dass es Hollande nochmals wissen will, fand sich gar nicht im Saal. Auf der brandneuen Titelseite der größten französischen Illustrierten "Paris Match" lächelt eine Schauspielerin in die Kameralinse, die nicht für ihre Filmrollen bekannt ist – sondern für ihre Liaison mit dem Staatspräsidenten. "Julie Gayet wird ihre Rolle frei und engagiert hinter dem Präsidenten spielen", lautet die Schlagzeile neben der jungen Beauté.
Das Wörtchen "hinter" – bei einer offiziellen First Lady hätte es "neben" geheißen – verweist auf die bisher äußerst diskrete Stellung Gayets: Auch als der behelmte Präsident auf dem Motorrad zu ihrer Wohnung fuhr und von den Paparazzi abgelichtet wurde, war die zweifache Mutter stets im Hintergrund geblieben. Dass sie ausgerechnet jetzt ins Rampenlicht tritt, da sich Hollandes interner Rivale Macron ebenfalls zu einer People-Story in "Paris Match" hergab, riecht schon stark nach einem Wahlkampfstart à la française. (Stefan Brändle aus Paris, 8.9.2016)