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"Kein Tag ohne Angriffe." Problematische erste Wochen für Virginia Raggi, seit Ende Juni Bürgermeisterin von Rom.

Foto: REUTERS/Remo Casilli

Virginia Raggi, die römische Bürgermeisterin, die im Juni mit sensationellen 67 Prozent ins höchste Amt der Hauptstadt gewählt worden war, ist in den "perfekten Sturm" geraten, nachdem vergangene Woche fünf wichtige Mitarbeiter entnervt aufgegeben haben: der für die Finanzen zuständige Stadtrat, ihre Kabinettschefin, die beiden Chefs der städtischen Verkehrsbetriebe sowie der Direktor der Müllentsorgung. Seit diesen prominenten Abgängen kritisieren alle mehr oder weniger offen einen erschreckenden Dilettantismus und unzulässige Einmischungsversuche Raggis.

Am Mittwoch, auf dem – vermutlich bloß vorläufigen – Höhepunkt der Krise, stellte Raggi dann eine Videobotschaft ins Internet. Eine bleiche Bürgermeisterin versuchte in einem schon fast mitleiderregenden Auftritt, sich selber Mut zu machen: "Seit meiner Wahl ist kein Tag vergangen, ohne dass ich angegriffen wurde. Aber ich habe breite Schultern und keine Angst", sagte die 38-Jährige, die noch nie so zerbrechlich wirkte.

Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs

Die "Flucht vom Kapitol", wie die Medien die Rücktrittswelle bezeichneten, war in der Tat erst ein Vorgeschmack gewesen: Es ging um Kompetenz, nicht um Delinquenz. Inzwischen wurde bekannt, dass gegen die für die Müllentsorgung zuständige Stadträtin Paola Muraro Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs und Umweltdelikten laufen – und zwar schon seit dem Frühling.

Noch vor wenigen Tagen hatten sowohl Muraro als auch Raggi entsprechende Medienberichte als abwegig bezeichnet – und damit schlicht gelogen. Das macht sich schlecht für das Stadtoberhaupt einer Protestbewegung, die Transparenz und Ehrlichkeit zu den Grundpfeilern ihres Programms gemacht hat und den anderen Parteien unablässig Lügen vorwirft.

Die Logik der Politik

Zum Entsetzen der eigenen Fünf-Sterne-Bewegung hält Virginia Raggi verbissen an der kompromittierten Stadträtin fest. "Es sind die Staatsanwälte und nicht die anderen Parteien oder die Medien, die bestimmen werden, ob sich Muraro strafbar gemacht hat oder nicht", erklärte die Bürgermeisterin in ihrer Videobotschaft.

Für die Anwältin Raggi mag das Prinzip der Unschuldsvermutung unantastbar sein – aber nicht wenige Römerinnen und Römer zweifeln daran, ob eine Politikerin, die sich im Visier der Staatsanwälte befindet, die Richtige sein kann, um die durch und durch korrupte und verlotterte Müllentsorgung Roms wieder auf Vordermann zu bringen.

Angesichts des Dramas in der Hauptstadt sah sich der Gründer der Protestbewegung, Starkomiker Beppe Grillo, genötigt, nun in Rom selber nach dem Rechten zu sehen. Nach außen stärkte er der Bürgermeisterin den Rücken: "Virginia ist in der gleichen Situation wie der erste schwarze Bürgermeister im Jahr 1968 in Mississippi: Das Regime reagiert geschlossen gegen uns!" Raggi werde weitermachen, die Bewegung werde sie unterstützen. Er räumte aber auch ein: "Ab und zu bauen auch wir kleinen Mist."

Insgeheim ist freilich auch Grillo sauer auf Raggi. Rom sollte für die "Grillini" zur Bewährungsprobe für ihre nationale Regierungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit werden. Würden sie in der heruntergekommenen Hauptstadt eine Wende zum Besseren herbeiführen, dann wären sie reif, das ganze Land zu regieren. Die bisherige Performance der Bürgermeisterin hat Zweifel aber eher verstärkt als gemindert.

Regierungschef Matteo Renzi genießt unterdessen die Selbstdemontage der Fünf-Sterne-Bewegung im Stillen. Er sage nichts dazu, ließ der sozialdemokratische Premier dieser Tage verlauten: "Virginia Raggi ist gewählt worden, um Rom zu regieren. Wenn sie dazu in der Lage ist, soll sie es tun." (Dominik Straub aus Rom, 9.9.2016)