Bregenz – Leistbares Wohnen und Arbeitsplätze sind in Vorarlberg Mangelware. Dieser Umstand beschert dem Dowas, dem Ort für Wohnungs- und Arbeitssuchende, immer mehr Klientinnen und Klienten. Erstmals wurde 2015 die Tausendermarke überschritten, sagte Geschäftsführer Michael Diettrich am Donnerstag bei der Präsentation des Jahresberichts.

Die Zahl der Hilfesuchenden stieg im Berichtsjahr um ein Viertel auf 1.183. Diettrich führt das auf die steigende Zahl anerkannter Flüchtlinge und Schutzberechtigter zurück. Am stärksten war der Zuwachs in der Beratungsstelle (plus 29 Prozent), wo Menschen hinkommen, die dringend leistbaren Wohnraum und/oder Arbeit brauchen. An beidem fehle es in Vorarlberg akut, sagt Diettrich: "Die Probleme, die wir momentan haben, sind hausgemacht und waren schon lange vor der verstärkten Zuwanderung bekannt."

Es fehlen Wohnungen und Jobs

Es räche sich jetzt, dass die Politik den Ausbau des gemeinnützigen Wohnbaus verschlafen habe. Diettrich ortet eine Wirtschaftskrise, die seit 2008 spürbar sei. "Trendwende am Arbeitsmarkt kann ich keine beobachten." Diettrich: "Das ist weder ein asylpolitischer Notstand noch ein vorrangig sozialpolitisch zu lösendes Problem, sondern ein wirtschaftspolitisches Desaster." Der Vorschlag des Dowas-Geschäftsführers an die Politik: "Mehr Geld in die Hand nehmen, es reicht nicht aus, auf ausgeglichene öffentliche Haushalte stolz zu sein."

Jobs für die neuen Migranten und Migrantinnen zu finden sei schwierig. Die Menschen seien nicht wegen der Sozialleistungen nach Österreich gekommen, widerspricht Diettrich oft Gehörtem, "sie kamen nach Österreich, weil es als reiches und wirtschaftlich erfolgreiches Land bekannt ist".

Flüchtlinge sind enttäuscht

Die meisten Flüchtlinge hätten im Heimatland berufliches und wirtschaftliches Geschick bewiesen, seien Facharbeiter gewesen. Hier kämen sie, wenn überhaupt, nur als unqualifizierte Arbeitskräfte unter. "Selbst Menschen mit einem Hochschulabschluss als Betriebswirt, Leitungserfahrung und guten Deutschkenntnissen waren trotz intensivster Bemühungen nur als Hilfsarbeiter unterzubringen", bedauert Diettrich. Dass die Enttäuschung zu Frustreaktionen führe, sei verständlich. Von Anspruchshaltung zu reden sei falsch.

Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in der Beratungsstelle beobachten wachsende Konflikte zwischen ihrer traditionellen Klientel und Flüchtlingen. Die Konkurrenz um leistbaren Wohnraum und Jobs sei real, begründet Diettrich, dazu komme noch die Verunsicherung durch die Debatte über die Kürzung der Mindestsicherung: "Ein Kürzung wird ja vor allem mit den Flüchtlingen begründet, würde aber alle treffen."

Konflikte und steigender Arbeitsaufwand in der Beratungsstelle würden jedoch durch eine positive Entwicklung aufgewogen, freut sich Diettrich: "Der allergrößte Teil der Flüchtlinge sind ausgesprochen freundliche und respektvolle Menschen, die etwas tun wollen. Durch sie hat sich die allgemeine Atmosphäre in unseren Journaldiensten deutlich verbessert." (Jutta Berger, 8.9.2016)