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Das Begräbnis von iranischen Opfern der Massenpanik beim Hajj 2015 in Teheran.

Foto: AP / Vahid Salemi

Riad/Teheran/Wien – Am Samstag beginnt in Mekka für Muslime und Musliminnen aus der ganzen Welt der alljährliche Hajj, bei dem allerdings heuer keine Pilger aus dem Iran dabei sein werden. Es ist Saudi-Arabien und dem Iran bei Verhandlungen im Mai nicht gelungen, sich auf die Modalitäten zu einigen: Die Iraner sagen, die Sicherheit ihrer Staatsbürger sei nicht ausreichend garantiert; die saudische Seite behauptet, die Iraner hätten darauf bestanden, demonstrieren zu dürfen.

Das notorisch schlechte Verhältnis zwischen Riad und Teheran erlebt soeben einen neuen Tiefpunkt. Im Vorjahr sind während des Hajj bei einer Massenpanik, die laut von Saudi-Arabien nicht bestätigten Berechnungen etwa 2400 Menschen das Leben gekostet hat, auch 464 iranische Pilger getötet worden. Die geforderte Entschuldigung der saudischen Führung blieb aus, auch andere Staaten, die Opfer zu beklagen hatten, sind unzufrieden mit der Aufarbeitung des Unglücks von saudischer Seite.

Gotteslästerliche Natur

Aber nun holte der religiöse Führer des Iran, Ali Khamenei, zu Wochenbeginn zu einem neuen Tiefschlag aus und behauptete, damals seien Verletzte gemeinsam mit Toten in Container eingeschlossen und so ermordet worden. Khamenei holte aber auch prinzipiell gegen die Familie Saud aus und warnte die "Welt des Islam" vor ihrer "gotteslästerlichen, ungläubigen und materialistischen Natur".

Die Antwort aus Riad kam unter anderem vom Großmufti und bedeutet eine neue Eskalationsstufe. Abdulaziz Al Sheikh – ein direkter Nachkomme des salafistischen Ideologen Mohammed Ibn Abdulwahhab aus dem 18. Jahrhundert, auf dessen Lehre der Islam in Saudi-Arabien gründet – bezeichnete die Iraner als "Nachkommen des Magus" (Magier, gemeint ist Zarathustra): "Man muss verstehen, sie sind keine Muslime, sie waren den Muslimen, besonders den Sunniten, immer feindlich gesinnt."

Die Söhne des "Magiers"

Diese Anschuldigung ist zwar Standard bei radikalen Salafisten, aber bis zur akuten Verschlechterung der iranisch-saudischen Beziehungen gab es in Saudi-Arabien Versuche, wenigstens die noch immer diskriminierende Haltung durchzusetzen, dass "auch Schiiten Muslime" seien.

Im Iran wird die Spaltung zwischen Schiiten und Sunniten oft als Konstrukt des westlichen Ori entalismus oder sogar westliches Komplott, um den Islam zu schwächen, dargestellt. Im arabischen sunnitischen Establishment hingegen ist man weitgehend von den bösen Absichten der iranischen Schia, die auch Schiiten in anderen Ländern als ihre Agenten benütze, fest überzeugt. Und dabei wird auch nicht spezifiziert – so wie es westliche Experten tun –, dass es sich um keinen religiösen, sondern um einen rein politischen Konflikt handelt.

Ob die Saudis würdig und fähig seien, den Hajj für alle Muslime und Musliminnen weltweit auszurichten, ist indes nicht nur Thema im Iran. Immer wieder taucht die Idee auf, die Pilgerstätten in eine Art muslimischen Vatikan umzuwandeln, einen Staat im Staat, der von einem Kollektiv – etwa der Organisation der Islamischen Zusammenarbeit (OIC) – verwaltet werden sollte.

Pilgerströme erforschen

Saudi-Arabien gibt viel Geld dafür aus, die Pilgerfahrt organisatorisch zu verbessern – ein eigenes Institut beschäftigt sich mit dem Management der Pilgerströme, die für ihre diversen Rituale stets in Bewegung sind, was die Gefahr von letalen Ereignissen erhöht. 2005 erreichte die Anzahl der Pilger erstmals zwei Millionen und stieg danach kontinuierlich bis auf mehr als drei Millionen im Jahr 2012. Seit 2013 sind nur rund zwei Millionen Pilger zugelassen, auch weil im "Heiligen Bezirk" und anderswo gewaltige Bauarbeiten im Gange sind – ebenfalls ein beständiger Kritikpunkt, wobei den Saudis oft Größenwahn und die Zerstörung alten Kulturguts vorgeworfen wird.

Nach entsprechenden Berichten musste die saudische Führung sogar klarstellen, dass sie nicht die Absicht habe, wegen Umbauarbeiten das Grab Mohammeds in Medina zu verlegen. In der letzten Zeit ist der Versuch von oben zu bemerken, die Wertschätzung für alte Kultur – auch für nichtislamische – salonfähig zu machen. Dem saudischen Salafismus, dem Wahhabismus, wird ja oft vorgeworfen, historische Vorbilder für die Kulturzerstörung durch radikale Gruppen wie die Taliban oder aktuell den "Islamischen Staat" geliefert zu haben. (Gudrun Harrer, 8.9.2016)