Berlin – EU-Kommission, OECD und das US-Finanzministerium sind besorgt: Als Land mit dem weltweit größten Exportüberschuss wird China noch heuer von Deutschland abgelöst. Das geht aus Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo hervor. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss summiere sich 2016 voraussichtlich auf 310 Milliarden Dollar (277 Milliarden Euro), sagt Ifo-Experte Christian Grimme. Das wären 25 Milliarden Dollar mehr als 2015. China dürfte ein Plus von etwa 260 Milliarden Dollar aufweisen. Auf Rang drei folge Japan mit rund 170 Milliarden.

Nachfrage aus Europa

"Der deutsche Überschuss beruht auf dem Warenhandel", sagte Grimme. Allein im ersten Halbjahr übertrafen die Exporte – von Maschinen bis Fahrzeuge – die Importe um 159 Milliarden Dollar. Haupttreiber sei der Anstieg der Warennachfrage aus Europa.

Der deutsche Überschuss wird im laufenden Jahr auf 8,9 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, sagt das Ifo-Institut voraus. Die EU-Kommission stuft bereits Werte von dauerhaft mehr als sechs Prozent als stabilitätsgefährdend ein. Sie rügt die Bundesregierung und empfiehlt ihr, mehr zu investieren und so die Nachfrage im Inland zu stärken, wodurch der Überschuss schrumpfen würde.

Risiko für Finanzstabilität

Das US-Finanzministerium sieht in den deutschen Überschüssen ein Risiko für die Finanzstabilität. Länder mit hohen Überschüssen tragen dazu bei, dass sich andere Staaten für ihre Importe hoch verschulden.

Auch die OECD ist ob der globalen Ungleichgewichte besorgt, sagte OECD-Experte Andres Fuentes. Deutschland könne helfen, diese zu reduzieren, etwa durch Ankurbelung der Inlandsinvestitionen. So könnten die Energiesteuerbefreiungen für exportorientierte Industrien gesenkt werden. Das stärke Anreize, "in Energieeffizienz zu investieren und den Übergang zu neuen Technologien und Produkten zu fördern". Deutschland könne so sein Ungleichgewicht in der Leistungsbilanz verringern und zugleich sein Wachstumspotenzial erhöhen.

Chinas Überschuss dürfte wegen schwacher Exporte um 70 Milliarden Dollar schrumpfen. Sie fielen im ersten Quartal um 35 Milliarden Dollar niedriger aus als im Vorjahresquartal. (Reuters, 8.9.2016)