Der tschechische Finanzminister Andrej Babiš hat am Dienstag versucht, in der jüngsten Affäre um angebliche rassistische Aussagen die Wogen zu glätten. Er besuchte das ehemalige Konzentrationslager im südböhmischen Lety, wo während der nationalsozialistischen Herrschaft vor allem Roma inhaftiert waren, und legte dort an einem Denkmal Blumen nieder.

Vergangene Woche soll sich Babiš laut Angaben des Onlinemagazins aktuálně.cz in einem Gespräch mit Bürgern auf der Straße einer Gemeinde in Nordböhmen abfällig über Roma geäußert und dabei die Existenz eines Konzentrationslagers in Lety in Zweifel gezogen haben: "Es gab einmal Zeiten, da haben alle Roma gearbeitet", zitiert ihn das Magazin unter einem Foto von dem Bürgergespräch auf Twitter. "Das, was die Dummköpfe in den Zeitungen schreiben, dass in Lety ein Konzentrationslager war, ist eine Lüge. Das war ein Arbeitslager. Wer nicht arbeitete, der war ruck, zuck dort", soll Babiš gesagt haben.

Trotz seines Besuchs in Lety: Der Finanzminister und Chef der liberal-populistischen Partei Ano bestreitet die Vorwürfe. Seine Worte seien "brutal aus dem Kontext gerissen" worden. Er habe nur darauf hingewiesen, dass Roma früher gearbeitet hätten, während er kürzlich "Erwachsene und Kinder gesehen habe, die zu Hause waren statt in der Arbeit oder in der Schule". Für ihn, der es gewohnt sei zu arbeiten, "war das ein Schock". Die Schrecken des Nationalsozialismus ziehe er nicht in Zweifel, seine politischen Feinde würden lediglich eine Affäre gegen ihn konstruieren. Bei denen, die er durch seine Aussagen verletzt habe, entschuldigte er sich.

Das ursprüngliche Zitat über ein "Arbeitslager" will ein Fotograf von aktuálně.cz schriftlich festgehalten haben. Eine Tonaufnahme fertigte er nicht an. Wie die Zeitung "Právo" berichtete, war aber auch eine Journalistin der Tageszeitung "Mladá fronta Dnes" mit ihrem Diktafon bei dem Gespräch dabei. "In dem Moment, als Babiš die Aussage über die Roma gemacht haben soll, habe ich aber nicht aufgenommen", erklärte sie den Kollegen von "Právo". "Die Aufnahme habe ich wirklich nicht." Die Zeitung "Mladá fronta Dnes" gehört einem Verlag, der sich im Eigentum von Babiš befindet. Der Finanzminister und Vizepremier gilt als zweitreichster Mann Tschechiens. Vor den Regionalwahlen Anfang Oktober liegt seine Partei Ano in allen Umfragen in Führung.

Schweinefarm statt Gedenkstätte

Der aktuelle Fall ist auch deshalb brisant, weil auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Lety heute ein privater Schweinemastbetrieb steht. Seit 1942 wurden in dem Lager Roma festgehalten, viele davon wurden später ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Von den mehr als 1.300 Menschen, die in Lety inhaftiert waren, überlebten nur etwa 300. Der Schweinemastbetrieb entstand in den 1970er-Jahren. Immer wieder wird über einen möglichen Ankauf durch den Staat und die Stilllegung des Betriebs diskutiert, zuletzt hatte der christdemokratische Kulturminister Daniel Herman erneut die Errichtung einer Gedenkstätte angeregt. Auch der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen (UN) forderte die Tschechische Republik dazu auf. (Gerald Schubert, 6.9.2016)