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Die britische Botschaft in Teheran, die 2011 von Demonstranten gestürmt wurde, wird wieder in Schuss gebracht. Im Vorjahr wurde sie wiedereröffnet, seit Dienstag gibt es auch wieder einen Botschafter.

Foto: AP/Ebrahim Noroozi

Teheran – Als der damalige britische Außenminister Philip Hammond Ende August 2015 nach Teheran reiste, um die Botschaft des Vereinigten Königreichs wieder zu eröffnen, veröffentlichte die ultrakonservative Keyhan als Willkommensgruß die Liste der britischen "Verbrechen" gegen den Iran. Es dauerte noch ein Jahr, bis am Dienstag wieder Botschafter akkreditiert wurden – der britische in Teheran, der iranische in London. Aber selbst wenn das Beziehungsbarometer gerade wieder nach oben ausschlägt: Probleme und Misstrauen bleiben.

Auch die British Airways haben nach neun Jahren ihre Teheran-Flüge wieder aufgenommen. Möglich gemacht wurde die Normalisierung durch den Abschluss des Atomdeals im Sommer 2015, mit Beginn der Umsetzung im Jänner 2016. Großbritannien war neben Frankreich und Deutschland das dritte EU-Land, das an den Verhandlungen direkt beteiligt war.

Britische Botschaft 2011 gestürmt

2011, als London seine Iran-Sanktionen verschärfte, wurde die britische Botschaft von Demonstranten gestürmt und der Botschafter ausgewiesen. Erst 2013 ernannte London wieder einen – allerdings bis 2015 nicht residenten – Geschäftsträger. Auch der jetzt zum Botschafter aufgestiegene Nicholas Hopton war zuletzt Chargé d'Affaires.

Die Wiederherstellung der Beziehungen ist für ihn ein zähes Geschäft: Denn nicht nur die Vergangenheit belastet das Verhältnis, die Iraner beobachten auch den Aufbau einer neuen britischen Militärpräsenz am Persischen Golf mit Argusaugen. Großbritannien errichtet in Bahrain eine Militärbasis, die erste, seit es 1971 die Region verlassen hat.

Der Standort Bahrain, wo auch die 5. Flotte der US-Marine ihr Hauptquartier hat, ist für die Iraner besonders sensibel, werden dort doch seit 2011 Proteste der schiitischen Bevölkerungsmehrheit gegen das sunnitische, von Saudi-Arabien abhängige Königshaus unterdrückt. Manama und Riad ihrerseits beschuldigen Teheran, die Unruhen erst geschürt zu haben.

Die Liste der "Verbrechen"

Eine starke britische Präsenz ist für die Iraner historisch gleichbedeutend mit britischer Parteinahme zu ihren Ungunsten: So beginnt der "Verbrechens"-Katalog von Keyhan denn auch damit, dass der Iran auf britische Veranlassung 1857 Land an Afghanistan verlor. Die Liste ist lang: Vom die iranische Wirtschaft schädigenden britischen Tabakmonopol Ende des 19. Jahrhunderts über die britische Intervention und Besetzung des Iran während des Zweiten Weltkriegs führt sie zum britisch orchestrierten Putsch gegen Ministerpräsident Mohammed Mossadegh 1953.

Anders als die USA, die ihre Rolle beim Coup gegen den demokratisch gewählten Mossadegh, der die Anglo-Iranian Oil Company verstaatlichen wollte, inzwischen eingestanden haben, hat sich London dazu nie offiziell geäußert. Die Frage, in welche Richtung sich der Iran ohne diesen antidemokratischen Eingriff von außen entwickelt hätte, mag müßig sein, ist jedoch berechtigt.

Die verborgene Hand der Briten im Iran ist für manche zur Obsession geworden: In Keyhan fehlt auch der Vorwurf nicht, sie hätten die Proteste gegen die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinejad 2009 angezettelt.

"Trojanisches Pferd" in EU

Seriös befasst man sich in Teheran zurzeit intensiv mit dem Thema, was der Brexit, der Austritt Großbritanniens aus der EU, für den Iran bedeuten wird: Ist eine EU ohne Briten besser oder schlechter für den Iran, und wie werden sich die iranischen Beziehungen zu London gestalten?

Erste einzelne Reaktionen nach dem britischen Votum waren von so etwas wie Schadenfreude geprägt, aber der Regierung von Hassan Rohani nahestehende politische Analysten stimmen meist darin überein, dass sie sich erstens eine starke EU und zweitens eine Stärkung des Multilateralismus wünschen müssen.

Die Debatten drehen sich darum, ob der Wegfall Großbritanniens den Einfluss der USA auf die EU schwächen würde oder, aus einem anderen Blickwinkel, ob die EU als Partner für die USA damit uninteressanter und damit unabhängiger würde. Großbritannien wird von politischen Analysten oft als das "Trojanische Pferd" der USA in der EU beschrieben.

Und man fragt sich, wie sich Großbritannien ohne EU entwickeln wird: Wird es seine Beziehungen zu den Arabern auf Kosten des Iran ausbauen, wird der Wegfall des als mäßigend gesehenen Einflusses der EU auf die britische Außenpolitik negative Folgen für die iranisch-britischen Beziehungen haben? Dabei kommt auch der Atomdeal ins Spiel, der ja von den Vertragsstaaten durch den gesamten Geltungszeitraum begleitet werden muss.(Gudrun Harrer, 7.9.2016)