Wien – Am 31. August 2016 wurden die österreichischen Grabungen in Ephesos beendet. Das hat mich auch emotionell getroffen: Ich bin mit Ephesos und seiner Geschichte sehr verbunden.

Als Herausgeber eines Buches über die österreichisch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen weiß ich, dass die österreichischen Ausgrabungen in Ephesos 1893 vom damaligen Osmanischen Reich bewilligt wurden, da es sich dabei auch um eine großzügige Spende eines österreichischen Sponsors handelte. So haben die österreichischen Archäologinnen und Archäologen begonnen, mit österreichischem Geld die Ruinenstadt auszugraben und diese in den vergangenen 123 Jahren zu einem höchstrangigen Weltkulturerbe zu machen.

Die Türkei hat mit seiner Wissenschaft und Wirtschaft dabei wesentliche Aufgaben erfüllt: Die Ausgrabungsbewilligung wurde jährlich verlängert. Es sind auch türkische Archäologen bei den Grabungen dabei. Das türkische Kulturministerium hat das Efes-Museum in der Stadt Selcuk gegründet und der türkische Konzern Borusan dafür die Efes-Stiftung.

Aber es waren österreichische Archäologen, die die Celsus-Bibliothek, das Theater, die Hanghäuser, den Hafen, das Artemision, vor allem auch seldschukisch-türkische Bauten und vieles andere ausgegraben und wiederaufgebaut haben. Besonders die Hanghäuser sind ein Unikat für die Welt, da die Besucher sehen können, wie die Epheser damals gelebt haben.

Was hätten wir in Ephesos gemacht, wenn Kallingerbau die Ausgrabungen nicht jahrelang unterstützt hätte? Was hätten wir ohne die Gesellschaft der Freunde von Ephesos gemacht? Was hätten wir gemacht, wenn das österreichische Wissenschaftsministerium all die Ausgaben für die Ausgrabungen nicht ermöglicht hätte? Ich wüsste gerne, wie viel Geld Österreich in den vergangenen 123 Jahren für die Ausgrabungen in der Türkei zur Verfügung gestellt hat.

Selbstverständlich bin ich als Austrotürke mit der derzeitigen bilateralen politischen Situation zwischen Österreich und der Türkei nicht zufrieden. Ich finde die jetzige Phase sehr unangenehm und störend. Ich sehe ein, dass die Türkei auf die unpassenden Äußerungen österreichischer Politiker und die primitiven Medienberichte reagieren musste, um ein deutliches Zeichen des Unmuts zu setzen. Ich sehe sogar ein, dass die Türkei ihren Botschafter zurückgerufen hat.

Aber ich sehe nicht ein, dass die Türkei diese ungebührende und unrichtige Politik Österreichs mit der Bestrafung der Kultur und Wissenschaft erwidert. Die Politik kann sogar auf die Wirtschaftsbeziehungen einen negativen Einfluss nehmen, was auch nicht unbedingt richtig ist, aber Wissenschaft und Kultur sind universell und dienen der Menschheit. Daher sollen solche Themen nicht zu einem Gegenstand oder einem Instrument der politischen Kämpfe werden.

Im Türkischen sagen wir, dass man ja nicht mit dem Fasten abbrechen soll, weil man mit dem Imam ein Problem hat. Was hat der Imam eben mit meiner religiös obligatorischen Verantwortung zu tun? Ich verhalte mich eben nach meinen Glaubensvorsätzen, nicht nach dem, was der Imam sagt oder macht. Oder soll ich als Türke die Türkei aufgeben, weil sie gerade von Recep Tayyip Erdogan regiert wird? Er ist lediglich demokratisch gewählter Präsident der Türkei und vergeht nach seiner Amtszeit, aber die Türkei bleibt.

Österreich steht allein

Österreich hat seine Türkei-Politik nicht im Griff. Es steht auch in der EU allein mit seiner Forderung nach Abbruch der Beitrittsverhandlungen. Aber es waren und sind die österreichischen Archäologen und Institutionen, welche die Stadt Ephesos weltberühmt gemacht haben. Dank ihrer hat die türkische Wirtschaft eine große Touristenattraktion.

Wenn der österreichische Politiker der Imam ist, warum sollen Wissenschaft und Kultur darunter leiden? Österreich hat in Ephesos für die Wissenschaft und die Menschheit wunderbare Leistungen erbracht. Dabei ging es niemals ums politische Kalkül.

Ephesos ist heute mit durchschnittlich 180 Fachleuten im Jahr ein archäologisches Großunternehmen. Die Grabungen wurden bis jetzt auf Grundlage einer jährlich zu erneuernden Genehmigung durch die Antikenverwaltung der Republik Türkei durchgeführt. Dies ist der falschen Politik beider Länder zum Opfer gefallen. Schade und Schande.

Ich habe jedoch die Hoffnung auf die Vergabe einer neuerlichen Grabungslizenz für das Jahr 2017 nicht verloren. (Inanc Atilgan, 6.9.2016)