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Garnelen – ein Geschmack, viele Facetten. Die Meeresfrüchte werden immer beliebter, schädigen aber durch lange Importwege die Umwelt. Die Zucht im eigenen Land mittels "Wegwerfenergie" könnte Abhilfe schaffen.

Foto: ap/Matthew Mead

Wien – Dass ungewöhnliche Ideen zum Erfolg führen können, zeigt die niedersächsische Familie Schäfer. Um die Abwärme der eigenen Biogasanlage sinnvoll zu nutzen, überlegten sich die Landwirte ein innovatives Konzept. Um die Idee in die Tat umzusetzen, wurde eine ehemalige Maschinenhalle zur Aufzuchtstation für Garnelen umgebaut. Das war Ende 2009. Inzwischen werden jährlich bis zu 16 Tonnen der Tierchen in der ersten Garnelenfarm Deutschlands gezüchtet und "geerntet".

Ungefähr gleich lang geistert eine ähnliche Idee auch im Kopf von Gerhard Pertiller herum. Der Salzburger studiert industrielle Energietechnik an der Montan-Universität in Leoben und entwickelte mit einigen Mitstreitern bis Februar dieses Jahres in der Start-up-Werkstatt der Uni ein Projekt, das zwei völlig unterschiedliche Bereiche zusammenbringen will – den Industrie- und den Lebensmittelbereich.

Thermodynamischer Müll

Grundlage des Konzepts der "regionalen Exoten": Überschüssige und ungenutzte Wärmeenergie soll einer neuen Verwendung zugeführt werden. Pertiller blickt dabei mit Missfallen auf seine Erfahrungen in einem Kernkraftwerk zurück: "Ein Drittel der Energie wird genutzt, der Rest wird als thermodynamischer Müll weggekühlt. Das gilt auch für jedes andere konventionelle Kraftwerk", sagt er. Bis Ende Juni 2017 will Pertiller im Rahmen seiner Masterarbeit einen entsprechenden Businessplan zur Nutzung dieses "Abfalls" ausarbeiten. Zum Umweltgedanken ist es da nur noch ein kleiner Schritt, denn die Nachfrage nach Garnelen steigt. Allein im Großraum Graz mit rund 605.000 Einwohnern landen pro Jahr insgesamt 907 Tonnen dieser Meerestiere auf den Speisetellern der Konsumenten. Doch die "Anreise" der Garnelen ist alles andere als umweltschonend. Die Importware, meist aus Asien und Lateinamerika, legt zigtausende Kilometer zurück, ist häufig mit Medikamenten vollgepumpt und führt nicht selten durch Überdüngung zu schweren Umweltschäden.

Noch steht Pertiller mit seinen Mitstreitern mit dem Konzept am Anfang. An die 2,7 Millionen Euro würde die Investition in die erste österreichische Garnelenfarm mit einem Produktionsvolumen von 15 Tonnen Garnelen im Jahr wohl kosten. Doch wie eine solche Finanzierung schmackhaft machen? Im Umfeld eines wachsenden Umweltbewusstseins könnten Industriebetrieben CO2-Zertifikate gutgeschrieben werden, neue Arbeitsplätze könnten entstehen, so Pertiller weiter. Logistisch gesehen wäre kaum ein "Kandidat" für die ökonomische Nutzung von Abwärme so interessant wie ein Zementbetrieb.

Die einzelnen Standorte liegen europaweit meist nur rund 150 Kilometer auseinander. Für die Garnele bedeutet das eine sehr geringe Zulieferstrecke, die zudem transparent rückverfolgbar ist, für den Verbraucher käme die Garnele tagesfrisch und regional statt tiefgefrostet auf den Teller.

Aus den Ausscheidungen der Garnele könnte eine Alge gezüchtet werden, die wiederum dem Tier als Nahrung dienen oder als Futtermittel an die regionale Landwirtschaft verkauft werden könnte – ein in sich geschlossener biologischer Kreislauf.

Idealer Lebensraum

"Gerade bei der Zementindustrie gibt es große Mengen an ungenutzter Wärmeenergie, die mit wenig Druck und oft unter 100 Grad anfällt und daher nicht mehr als Prozesswärme genutzt werden kann und als "lauwarmes" Wasser für technische Prozesse nicht mehr interessant ist", erläutert Pertiller. Für die Garnele hingegen ist diese Temperatur der ideale Lebensraum. Wenn die Garnelen für die Auslieferung bereit seien, könne das für die Kühlkette benötigte Eis mit einer Absorptionskältemaschine erzeugt werden."

Für eine Finanzierung des Projekts kann sich Pertiller energieintensive Betriebe in der Obersteiermark vorstellen, aber auch Gastronomie oder Einzelhandel. Noch gebe es keine Gespräche, und Pertiller will sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu vielen Illusionen hingeben: "Ich mache viele Türen auf, weil schließen tun sie sich ohnehin von selbst." (Sigrid Schamall, 7.9.2016)