Herbst 2016, in Österreich stehen anlässlich der Bundespräsidentschaftswahl Blau und verwaschenes Grün zur Wahl. Da lässt sich die Herbstmode schon mehr einfallen. Sie wird von Sportswear, Musik- und Popkultur beatmet. Die Shows kommen als theatralische, teils öffentliche Events daher, Gucci und Prada pfeifen auf Geschlechtergrenzen, sie lassen Männer und Frauen gemeinsam über die Laufstege laufen. Bei so viel Neuerung ist es schwierig, noch den Überblick zu bewahren – die zehn Trends dieses Herbstes.

Haarige Mäntel bei Louis Vuitton
Foto: Louis Vuitton

1. Kuschelprogramm

Die Sporthersteller zeigen, wo es langgeht: Nike und Adidas bieten gestrickte Fußballschuhe an, auf den Laufstegen setzt sich das Maschenprogramm der letzten Saisonen fort. Die Mode steht im Zeichen der 1970er- und 1980er-Jahre, der Hochzeit des Kuschelstricks. Das passt. Wer in den sozialen Netzwerken und am Arbeitsplatz damit beschäftigt ist, die Ellenbogen auszufahren, kann sich die Kuscheleinheiten in der Mode abholen: Bei Chloé gibt es bei Strickkleider und -capes, bei der Konkurrenz von Céline übergroße Pullunder und Rollis, bei Acne gestrickte Leggings und bei Louis Vuitton haarige Strickmäntel, auffällige Wollpullover dürfen Statements abgeben.


Jeans übereinander geschichtet bei Miu Miu
Foto: Apa/Afp/Martin Bureau

2. Jeans-Patchwork

Vor ein paar Jahren wollte sie niemand mehr anziehen: zu weit das Bein, zu hoch der Bund. Jetzt ist sie wieder da, und alle wollen wieder mit ihr ausgehen – von der flatterigen Bluse bis zum dicken Strickpullover. Die "Fünfnulleins" von Levi's war lange aus der Zeit gefallen, die engen Röhrlhosen hatten ihr den Rang abgelaufen. Deren Vorzüge liegen auf der Hand: Das Denim schmiegt sich eng um die Beine, verspricht Sexyness, wo sich die "Fünfnulleins" luftig in Falten legt. Das Comeback des lockeren Schnitts ist auch angesagten Labels wie Vetements zu verdanken. Das Modelabel setzte aus zwei Levi's-Hosen die It-Jeans der letzten Saisonen zusammen: Das Stück Denim-Patchwork hat mit rund tausend Euro allerdings seinen Preis. Wer will, zieht dazu Jeansjacke und Jeanshemd an – es kann gerade nicht genug blaue Baumwolle über den Körper gestülpt werden. Darunter ein Hemd mit Spitzenkragen, so gesehen bei Miu Miu – oder in der Netflix-Serie "Stranger Things".

Shannon Purser trägt als Barbara Holland Rüschenbluse in "The Stranger Things"

3. Mit Netflix in die Achtziger

Die Serie "Stranger Things", die 1983 spielt, übt derzeit eine Sogwirkung auf die Modewelt aus. Und hat Winona Ryder, eine Säulenheilige der 1990er-Jahre, rehabilitiert. Ladendiebstahl und der große Absturz sind vergessen, die coole Winona ist zurück: Alle erinnern sich an ihre Rehaugen, an "Reality Bites" und "Edward mit den Scherenhänden". Dank "Stranger Things" heißt es jetzt wieder: "Wo bekomme ich Winonas Military-Jacke und wo Shannons Rüschenbluse her?" Ähnlich ergeht es Baz Luhrmanns Serie "The Get Down", die in der South Bronx der 1970er-Jahre spielt. Jaden Smith trägt da eine mit 1001 Knöpfen bestickte Jeansjacke, sprüht Graffitis, die den beklecksten Gucci-Taschen von "Gucci Ghost" locker den Rang ablaufen, dazwischen Grandmaster Flash und jede Menge Adidas.

Rita Ora wirbt für die drei Streifen
Foto: adidas

4. Sportswear de luxe

Sportswear soll die Luxusmode vor dem großen Gähnen retten. Mitverantwortlicher in dieser Angelegenheit: Kanye West. Vor 20.000 Zuschauern zeigte der in New York während der Modewoche seine dritte "Yeezy"-Kollektion, die zusammen mit Adidas entstand, und präsentierte gleich auch sein neues Album "The Life of Pablo". Mode, Musik, Sport – West führt vor, dass Schubladendenken schon immer in der Sackgasse endete. Im August poppten weltweit 21 Pop-up-Stores mit Album-Merchandise auf, in Paris kooperierte das Pariser Kultlabel Vetements mit 18 Labels und Firmen, darunter Reebok, Eastpak, Carhartt und Canada Goose. Hauptbestandteil der letzten Kollektionen des französischen Labels: der Kapuzensweater in XXL, mit dem Kanye West während der Modewochen in der ersten Reihe sitzt, bei Net-A-Porter ab 650 Euro zu haben. Profitieren werden von diesem Trend die Sportlabels. Bei Adidas, Nike, Puma kostet ein solcher Sweater eine Null weniger.

Wanda Nylon stapelt Kleid und Shirt
Foto: Shoji Fuji für Wanda Nylon

5. Raffiniert remixen

Eine neue Garderobe zusammenzustellen ist heute keine Sache mehr, selbst das ausgefallenste Vintage-Stück kann überall auf der Welt online eingekauft werden. Die große Kunst ist heute, die Kleidung so über den Körper zu verteilen, dass der darin nicht zur faden Logo-Ampel verkommt oder im Einerlei der Retailer verschwindet. Deshalb ist das Styling der Modenschauen heute so wichtig wie die Mode selbst. Ein Kleid allein lockt niemanden mehr hinter dem Ofen hervor, da muss schon mehr passieren: Kleider werden jetzt wieder übereinandergestapelt und darunter T-Shirts getragen. Wer den Remix mit Raffinesse hinbekommt, hat in diesem Herbst alles richtig gemacht.


Bei Saint Laurent zeigen die Models Schulter
Foto: Apa/Afp/Martin Bureau

6. Hintern und Schultern in Szene setzen

Zweite goldene Regel für den Herbst: Hintern und Schulterpartie in Szene setzen. Kim Kardashian ging in den letzten Jahren mit gutem Beispiel voran, sie etablierte den üppig gepolsterten Allerwertesten im Mainstream. In diesem Herbst zieht die Po-Fixierung Kreise. Viele Magazine zeigen auf ihren Titeln bloße Hintern. Die kommen aber eher aus der Apfelabteilung, klein und knackig. Harte Konkurrenz macht ihnen nur die Schulter, sie hat in den letzten Saisonen das Dekolleté abgelöst: Saint Laurent und Isabel Marant legen die Schultern einseitig frei, auf den Laufstegen von Balenciaga rutschten den Models selbst Outdoor- und Daunenjacken von den Schultern. Das signalisiert Lässigkeit – nicht die schlechteste Idee.

Balenciaga setzt auf Daunenjacken-Statements
Foto: Balenciaga

7. Daunenjacken aufblasen

Bei Alexander McQueen ließ Designerin Sarah Burton einen gepufften Morgenmantel als daunenes Betthupferl locker von den Schultern gleiten. Die Britin gab schon einmal vor, was auf der Straße landen soll. Sich im Herbst und Winter aufzupolstern, mag nicht wirklich neu sein, mit den taillierten Steppjäckchen, den braven Daunenröllchen für die Dame, hat das in diesem Herbst aber nichts zu tun. Starke Frauen werden in den neuen Steppjacken zu aufgeblasenen Michelin-Männchen: Das Label Marques' Almeida rollte eine orangefarbene XXL-Version eines Daunenmantels über den Laufsteg, Acne taucht Stepp in Zitrustöne, und Balenciagas Version kommt in knalligem Rot daher. Es geht darum, aufzufallen.

Gucci sieht Rosa
Foto: Apa/Afp/Guiseppe Cacace

8. Luftsprung in Kaugummirosa

Orange, Zitrusgelb und Rot lassen ihre kleine Schwester ran: Kaugummirosa läuft den Herbstfarben den Rang ab. Diese Nachricht lässt nicht nur mehr Lillifee und Barbie Luftsprünge machen. Seit eine neue Generation an Feministinnen sich der Farbe Rosa ermächtigt hat, muss um die "Mädchenfarbe" kein Bogen mehr gemacht werden. Gucci gibt dabei den Ton an. Die Italiener zeigten Outfits, auf die sich Prinzessinnen, Barbies und Feministinnen einigen könnten: Felljacke, Strumpfhose, Handtasche in Zuckerlrosa. Auch die Konkurrenz zieht Kaugummirosa aus den Taschen. Lagerfeld setzt für Chanel auf rosa Tweed, bei Comme des Garçons marschierte rosafarbener Lack über den Laufsteg, Jil Sander ließ Lamékleider roséfarben schimmern.

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Justin Bieber bekennt sich zu Nirvana
Foto: Invision ap/ Jordan Strauss

9. Mit Bandshirts brüsten

Wenn Rosa nicht reicht, dann muss das Bandshirt ran. In Zeiten völliger Beliebigkeit sind musikalische Bekenntnisse das Nonplusultra. Seit sich Teeny-Star Justin Bieber einmal zu Nirvana, ein andermal zu Metallica bekennt, sind Grunge und Metal für alle da. Selbst Models in Paris oder New York hängen sich herbe Bandshirts über die spitzen Schultern. Bei so viel Nachfrage gilt es für Modeunternehmen zu reagieren: Das Label R13 hat das Cover von Joy Divisions Albumdebüt "Unknown Pleasures" auf ein T-Shirt gedruckt, um es für 250 Euro zu verkaufen, Designer Demna Gvasalia entwarf für das Pariser It-Label Vetements einen schwarzen Sweater mit Totenkopflogo, Motiv und Schriftzug sind an ein Bandshirt der britischen Metaller Cradle Of Filth angelehnt. Daneben verblasst selbst Kanye Wests "Yeezus"-Baseballcap mit adaptiertem Metallica-Logo.

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Prada setzt Matrosenhüte auf
Foto: Reuters/ Stefano Rellandini

10. Nie mehr oben ohne

Motto in diesem Herbst: nie mehr oben ohne. Chanel baute eine ganze Kollektion um seine Pork-Pie-Hüte, bei Prada spielte sich die Matrosenmütze in die erste Reihe. Trussardi und Philipp Plein setzten weiblichen Gangstern breitkrempige Filzhüte auf, Gucci schlug Wollhauben mit langen Zöpfen vor, Alexander Wang klebte seinen Beanies Sprüche auf die Haube. Merke: Es müssen nicht immer Kapuzen oder Baseballkappen sein. Auch wenn die gerade in "Stranger Things" ihren großen Auftritt haben. (Anne Feldkamp, RONDO, 21.9.2016)