Bundeskanzler Kern trat vor dem Minsterrat allein vor die Journalisten.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Die Asyl-Notverordnung soll erst in Kraft treten, wenn die Obergrenze für Flüchtlinge erreicht ist. Das sagte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bei seinem ersten Soloauftritt vor dem Ministerrat am Dienstag. "Die Verordnung tritt in Kraft, wenn in diesem Jahr die Grenze von 37.500 erreicht ist", sagte Kern.

Weil Ungarn schon jetzt die Zahl der Flüchtlinge drastisch reduziere und diesbezüglich weitere Maßnahmen plane, kann es laut Kern sein, dass die Obergrenze gar nicht erreicht wird. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bezeichnete die Notverordnung nach dem Ministerrat als "Vorbereitung für den Ernstfall, der hoffentlich nicht eintreten wird".

Nach Kern hat auch Mitterlehner gesagt, dass die Notverordnung nicht vor Erreichen der Obergrenze von 37.500 Asylverfahren im laufenden Jahr in Kraft treten soll.

Verordnungstext noch in Verhandlung

Der Text für die Notverordnung soll noch am Dienstag fertig verhandelt werden und am Mittwoch in Begutachtung gehen. Es geht darum, ausführlich zu begründen, warum die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit durch die hohe Zahl an Flüchtlingen gefährdet sind und deshalb die Möglichkeit, Asyl zu beantragen, eingeschränkt wird. "Damit der Europäische Gerichtshof das nicht nach drei Monaten wieder aufhebt", wie Kern sagte. Die SPÖ war bemüht, Passagen zu streichen, die ein besonders bedrohliches Szenario zeichneten. "Uns ist es wichtig, das man das mit Augenmaß tut."

Beim "Debriefing" nach dem Ministerrat der Regierungskoordinatoren – das Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) – wurde klar, dass weiterhin unklar ist, wann die Notverordnung beschlossen werden soll. "Der Zeitpunkt ist abhängig von der konkreten Situation", sagte Drozda. Wirklich beschließen werde man die Verordnung nur dann, wenn sie tatsächlich gebraucht werde, sagte Drozda.

Auch er verwies auf die Hoffnung, dass in diesem Jahr gar keine 37.5000 Flüchtlinge nach Österreich kommen. "Wir wären froh und erleichtert, wenn die Situation sich an den Grenzen so entwickelt wie zuletzt", sagte Drozda. "Dann haben wir die Verordnung zwar vorbereitet, müssen sie aber nicht in Kraft setzen."

Integrationsgesetz noch im Oktober

Dabei kündigte der Kanzler die Arbeitsschwerpunkte der Regierung für die kommenden Wochen und Monate an. Umgesetzt werden soll das von der EU forcierte "Steuertransparenzpaket", bei dem Mitgliedsstaaten automatisch Steuervorbescheide von Unternehmen austauschen. So soll Steuervermeidung transparent werden. "Die Steuerbehörden haben dann die Möglichkeit, hier anzusetzen", sagt Kern.

Im Oktober will die Regierung zudem Anreize für Unternehmen schaffen, um die Investitionen zu stärken. Details sollen am 25. Oktober vorgelegt werden. Wie Kern bereits im ORF-Sommergespräch angekündigt hat, soll es regelmäßig kleine Steuersenkungen geben, um so Verluste durch die kalte Progression auszugleichen.

Auch die unterschiedlichen Vorstellungen eines neuen Integrationsgesetzes will Kern innerhalb der Regierung bereits bis zum 27. September klären. Beim Konflikt um die Mindestsicherung werde man "versuchen, eine Annäherung zustande zu bringen". Auch die Pensionsreform soll fortgesetzt werden. In der Regierung soll das Bildungsthema am 18. Oktober abgehandelt werden, Vorhaben zur "Deregulierung und Entbürokratisierung" stehen am 2. November auf der Tagesordnung.

Ausbildungspflicht bis 25

Im November will die SPÖ ihre Vorschläge für weitere Strukturreformen vorlegen, die Kern ebenfalls bereits im ORF-Sommergespräch angedacht hat. Teil davon werde die Ausbildungspflicht bis 25 Jahre sein, sowie mehr Arbeitsplätze zu schaffen. "Die Digitalisierung wird viele Jobs kosten", sagt Kern. Auch wenn neue Jobs geschaffen würden, hätte man dann auf dem Arbeitsmarkt kurzfristig ein Problem. Um Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen, schlägt er mehr individuelle Betreuung von besonders schweren Fällen vor. "Um die kümmert sich das Arbeitsmarktservice nur in begrenzter Form."

Kanzler und Vizekanzler sind bisher jeden Dienstag nach dem Ministerrat gemeinsam in einer Pressekonferenz aufgetreten. Stattdessen sollen nun die Regierungskoordinatoren Drozda und Mahrer bei einem "Debriefing" die Journalisten informieren. Kern lud die Journalisten trotzdem am Dienstag zu einer Arbeitssitzung – was für Verstimmung beim Vizekanzler sorgte, der wiederum ebenfalls alleine vor die Presse trat. (koli, 6.9.2012)