Ein Kind spielt vor dem ehemaligen Flughafen in Athen, der als Unterkunft dient. Die hygienischen Zustände sollen alarmierend sein.

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Die Unruhen dauerten bis in die Morgenstunden, danach suchte die Polizei nach Flüchtigen aus dem Flüchtlingslager. Wie gespannt die Situation auf den griechischen Inseln vor der türkischen Küste geworden ist, zeigten einmal mehr die Schlägereien von Jugendlichen im Lager auf Lesbos in der Nacht zum Montag. Afghanen prügelten sich mit Syrern, Schutzgelderpressungen von Irakern sollen der Auslöser gewesen sein. Fünf junge Männer wurden verletzt. 40 entkamen zeitweise aus dem Lager Moria, das von Brüsseler Beamten und Politikern in der EU einmal als "Hotspot" zur Kanalisierung des Flüchtlingsstroms nach Europa geplant worden war.

Bald ein halbes Jahr ist das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei nun in Kraft. Moria ist mittlerweile zu zwei Dritteln überbelegt. 5388 Flüchtlinge meldete der Krisenstab in Athen am Montag allein aus Lesbos. Auf Chios, Samos und Leros ist es nicht anders. Auf Kos schlafen Migranten mittlerweile im Freien außerhalb des Hotspots.

"Nicht alarmierend"

Das Problem sind dabei nicht so sehr die Neuankünfte, die Flüchtlinge, die von Schleppern von der türkischen Küste nachts in Richtung der Inseln geschickt werden. "Die Zahlen steigen, aber sie sind nicht alarmierend", sagt ein Sprecher des Krisenstabs. Als das Flüchtlingsabkommen im März in Kraft trat, waren es null bis 200 am Tag; seit dem Putsch in der Türkei seien es eben zwischen 80 und 200 Flüchtlingen.

Als Problem erweist sich vielmehr, dass das Verfahren nicht so klappt, wie es sich die Regierungen in der EU vorgestellt hatten: Nur knapp 500 Flüchtlinge wurden von Frontex-Beamten aus den Lagern auf den Inseln an die türkische Küste "zurückgeführt". Es waren freiwillige Rückkehrer oder solche Flüchtlinge, die keinen Asylantrag in Griechenland gestellt hatten. 12.515 Flüchtlinge aber saßen am Montagmorgen in den Lagern von Lesbos im Norden bis Kastellorizo weiter im Süden. Die Asylverfahren brauchen weit mehr Zeit, als von den Politikern angenommen. EASO, die Asylbehörde der EU, die den griechischen Richtern hilft, hat immer noch nicht die Personalstärke, die ihr von den Mitgliedsstaaten zugesagt worden war.

Übersiedlung aufs Festland

Der griechische Migrationsminister Yiannis Mouzalas kündigte nun die Übersiedlung von Flüchtlingen aus den überfüllten Lagern auf den Inseln zum Festland an – ein Schritt, den Athen stets vermeiden wollte und der zur Konfusion zwischen "alten" und den "neuen" Flüchtlingen nach den Regeln des Türkei-Abkommens führen könnte. Knapp 60.000 Flüchtlinge sitzen nun im Land fest, seit die Balkanroute nach Europa geschlossen ist.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière trieb das Unbehagen in Griechenland über diese Situation noch an, als er in einem Zeitungsinterview die Rücksendung von Flüchtlingen aus Deutschland und anderen EU-Staaten nach Griechenland in Aussicht stellte. Das Interview mit der deutschen Zeitung Welt am Sonntag erschien am Tag der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern.

Am Montag stellte ein Sprecher des deutschen Innenministeriums klar, dass die Rücksendung von Flüchtlingen nach Griechenland gemäß dem EU-weiten Dublin-Abkommen bis Januar nächsten Jahres ausgesetzt bleibe. Die linksgeführte Regierung in Athen will eine Änderung des Abkommens erreichen, dem zufolge Asylbewerber in dem EU-Land verbleiben müssen, in dem sie zuerst gelandet sind. Was de Maizière sage, habe nichts mit der Realität zu tun, erklärte der griechische Migrationsminister Mouzalas. (Markus Bernath aus Athen, 6.9.2016)