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Wo sind all die Wähler hin? Viele, die früher der CDU folgten, haben jetzt ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Bundeskanzlerin Angela Merkel will sie zurückgewinnen.

Foto: AP / Michael Probst

Es gibt ein ehernes Gesetz in der deutschen Politik, und das lautet: keine Innenpolitik im Ausland. Also spricht Angela Merkel am Montag im fernen China, zunächst als deutsche Bundeskanzlerin, über die Ergebnisse des G20-Gipfels. Dann verlässt sie den Raum und gibt doch noch – als CDU-Vorsitzende – ein Statement zum Wahldebakel der CDU in Mecklenburg-Vorpommern ab.

"Ich bin sehr unzufrieden", sagt sie, räumt aber eine Mitverantwortung für das schlechte Abschneiden ihrer Partei ein. Denn: "Es ging fast ausschließlich um bundespolitische Themen, die alles andere überlagert haben." Jetzt müssten alle darüber "nachdenken, wie wir das Vertrauen zurückgewinnen können – vorneweg natürlich ich". Dennoch bleibt Merkel bei ihrer grundlegenden Linie in der Asylpolitik, es wird keine Korrekturen – etwa beim Türkeideal – geben.

In Berlin wird derweil viel getuschelt. Hat die Kanzlerinnendämmerung begonnen? Wirft Merkel vielleicht hin? Nichts davon sei der Fall, versichert CDU-Generalsekretär Peter Tauber: "Angela Merkel hat das Land erfolgreich durch viele Krisen geführt, die Anhänger der Union vertrauen darauf, dass sie das weiterhin tut."

Unmut bei der CSU

Doch einmal mehr zeigt sich, dass es mit der Einheit in der Union im Moment nicht klappt. Das schlechte Abschneiden der CDU ist für die kleine Schwester CSU natürlich Anlass, um wieder einmal lautstark ihre Unzufriedenheit zu äußern. "Das Ergebnis muss ein Weckruf für die Union sein. Die Stimmung der Bürger lässt sich nicht mehr ignorieren. Es braucht einen Kurswechsel in Berlin", sagt Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) in der "Bild"-Zeitung. Doch die CDU in Berlin lehnt Obergrenzen für Flüchtlinge nach wie vor ab, was in München für Unmut sorgt.

Es gibt jetzt sogar folgendes Gerücht: CSU-Chef Horst Seehofer sei ernsthaft am Überlegen, ob er bei der Bundestagswahl in einem Jahr nicht selbst als Spitzenkandidat der CSU antreten und dann sogar in die Bundesregierung gehen solle, um sich den Wählerinnen und Wählern als klares Korrektiv zu Merkel anzubieten.

Uneinigkeit herrscht auch in der AfD. Dort verkündet Vize Alexander Gauland, trotz der Erfolge solle die AfD "noch lange Fundamentalopposition betreiben", und verweist auf FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der ihm auch dazu geraten habe. Überhaupt ist Gauland voll des Lobes für die FP.

AfD-Chef Jörg Meuthen hingegen erklärt, langfristig wolle die AfD mitregieren. Doch grundsätzlich herrscht Feierstimmung, und in einem Punkt sind alle der Meinung von Co-Chefin Frauke Petry: Das Wahlergebnis sei die Quittung für "Merkels katastrophale Migrationspolitik".

Gute Laune bei der SPD

Gute Laune ist auch im Willy-Brandt-Haus zu verzeichnen. Zwar hat die SPD an Punkten verloren, aber an Stimmen gewonnen, weil so viele Menschen zur Wahl gegangen sind, wie SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärt. Er übt ebenfalls Kritik an Merkel. Die SPD habe schon seit langem ein Integrationskonzept vorgelegt, aber Merkel habe es beim Satz "Wir schaffen das" belassen.

"Einfach nur wiederholen ,Wir schaffen das', ohne es auch zu machen, das ist unsere Kritik", so Gabriel, der mit dem Wahlausgang in Schwerin auch zufrieden ist, weil dort Erwin Sellering wählen kann, ob er mit der CDU weiterregiert oder zur Linkspartei wechselt. (Birgit Baumann aus Berlin, 5.9.2016)