So kurz nach dem jüngsten Wahlerfolg mag die Frage widersinnig klingen. Und tatsächlich schließt sich kaum einer der Autoren im Buch AfD – Bekämpfen oder ignorieren? der Meinung an, dass die rechte Partei alleine dadurch verschwinden werde, dass man sie links liegen lasse. Die Strategien der Politiker aus Deutschlands Altparteien, Wissenschaftler, Journalisten und Vertreter der Zivilgesellschaft gehen trotzdem weit auseinander.

Schon vor der Veröffentlichung des Buches hat der Beitrag des früheren CDU-Wahlkampfmanagers Peter Radunski für Aufregung gesorgt. Er skizziert mögliche Strategien zur Entzauberung der AfD und schlägt unter anderem einen Tabubruch vor: Etablierte Parteien sollten der AfD Regierungsbeteiligungen nicht nur ermöglichen, sondern diese gar aktiv dazu drängen. Weigere diese sich standhaft, verliere sie Glaubwürdigkeit. Nehme sie an, könne sie sich nicht mehr gegen "das System" positionieren. Radunski denkt dabei wohl auch an die FPÖ-Regierungsbeteiligung in Österreich zwischen 2000 und 2007, deren Wiedererstarken in Opposition – im Beitrag von STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid geschildert – berücksichtigt er aber nicht.

Weniger umstritten sind seine anderen Vorschläge: mehr direkter Kontakt zu Wählern und eine programmatische Konfrontation. Darauf setzten im Buch auch besonders die Politiker aus dem linken Parteienspektrum, die auf die neoliberalen Wirtschaftsvorschläge der AfD verweisen. Mit Unterschieden in den konkreten Forderungen: Während Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch und Ex-SPD-Chef Franz Müntefering die Lösung sozialer Missstände in den Vordergrund stellen – Bartsch stärker in Deutschland, Müntefering in der Welt -, verlangen die Grün-Spitzenpolitiker Anton Hofreiter und Gesine Agena von der Politik mehr Lösungskompetenz.

Dies will auch SPD-Politiker Ralf Stegner, von dem die eindringlichsten Warnungen aus dem Kreis der Politiker kommen. Nachdrücklich sind aber auch die Beiträge von Charlotte Knobloch, frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, die vor linkem und rechtem neuem Antisemitismus warnt, und von Aiman Mazyek, dem amtierenden Chef des Zentralrats der Muslime.

Ein eher unaufgeregter Beitrag des Chefs des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), und ein Text der FDP-Vizechefin Katja Suding runden das Bild ab. Letztere nimmt dabei die Empfehlung auf, die AfD zu ignorieren ("wie das Summen nerviger Mücken"), bezieht sich dabei aber nur auf die gezielten Provokationen der Partei, nicht aber auf Inhalte. (Manuel Escher, 5.9.2016)