Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (Mitte) erhält am G20-Gipfel Rückendeckung in der Flüchtlingskrise – für diese müsse man "gemeinsame globale Antworten" finden, hieß es in der Abschlusserklärung.

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Die Flüchtlingskrise muss global gelöst werden. Das stellte die G20 in ihrer Abschlusserklärung auf ihrem China-Gipfel fest. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kann so wenigstens außenpolitisch ein wenig aufatmen. Von den Staats- und Regierungschefs der 20 größten Industrie- und Entwicklungsstaaten, die zwei Tage im chinesischen Hangzhou zusammenkamen, erhält sie Rückendeckung in der Flüchtlingsfrage. Die G20 nennt die Flüchtlingskrise in ihrem am Montag veröffentlichten 48 Punkte umfassenden Hangzhou-Konsens nicht mehr nur eine europäische Frage. Sie sei zur "globalen Sorge" geworden, die weltweites Handeln nötig macht. Ein solches Statement gehe weiter als die Erklärungen auf dem Vorjahresgipfel in Antalya, sagten hochrangige europäische Teilnehmer der Konferenz.

Doch es gibt keine verbindlichen Verpflichtungen. Merkel hatte im Vorfeld des Gipfels darauf gedrungen, mit "Priorität gemeinsame globale Antworten zur beispiellosen Migrations- und Flüchtlingskrise und deren Ursachen" zu finden. Der "Hangzhou-Konsens" nennt die "zunehmenden Migrantenströme, wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr auftraten", eine globale Herausforderung. Er versteht sie erstmals als Belastung für die Entwicklung der Weltwirtschaft, die oberste Priorität des Gipfels. Alle G20-Staaten sollten daher nach ihren Möglichkeiten die zuständigen internationalen Organisationen besser unterstützen und auch die "Gastaufnahmeländer". Die Flüchtlingsfrage werde die G20-Länder 2017 weiterhin beschäftigen mit einem "Blick darauf, konkrete Aktionen dafür zu entwickeln".

Es ist nur ein Appell, doch immerhin der erste Schritt. Damit werde das Thema Flüchtlinge auf der Agenda der G20-Staaten festgesetzt. Für Deutschland, das als eines der Hauptaufnahmeländer 2017 die G20-Präsidentschaft von China übernimmt, ist die Aussage wichtig. Die Kanzlerin kann beim Hamburger Gipfel mit internationaler Solidarität rechnen. Er findet im Juli statt, zehn Wochen vor der Bundestagswahl.

Neue Initiativen zur Belebung der Wirtschaft

Als Gastgeber des Hangzhouer Gipfel wollte Peking von Anfang die Tagesordnung nur auf neue Initiativen zur Belebung der angeschlagenen Weltwirtschaft eingrenzen. Der Hangzhou-Konsens beschreibt vorwiegend Aktionspläne für neue Wachstumstreiber, Innovationsinitiativen, Verabredungen zum gemeinsamen Aufbruch in eine digitale Weltwirtschaft, Forderungen nach einem Ende des Protektionismus und die Bekämpfung von Terrorismus. Er bricht eine Lanze für Globalisierung und freien Welthandel, von dem China bisher am meisten profitierte.

Staatschef Xi Jinping, der den teuersten aller bisherigen G20-Gipfel zum politischen Imageprojekt für Chinas Weltmachtsanspruch umfunktionierte, ließ sich auf eine Reihe von Kompromissen ein. Darunter fällt etwa der Streit um Chinas Produktionsüberkapazitäten, die die Weltmärkte belasten. Im Kommuniqué steht die Absicht zur Gründung eines vom Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, geforderten G20-"Stahlforums". Damit soll festgestellt werden, ob China seine Überkapazitäten auf den Weltmärkten dumpt. Im Gegenzug für solche Kompromisse setzte China durch, dass sein brisanter Territorialstreit um das Südchinesische Meer, der eine der wichtigsten Weltrouten des Seehandels bedroht, nicht im Kommuniqué angesprochen wird.

Brexit-Votum in der Kritik

Überraschenderweise wird im "Hangzhou-Konsens" das Brexit-Votum kritisiert. "Es trägt zur Unsicherheit in der Weltwirtschaft bei." Die Aufnahme dieser Warnung konnte Premierministerin Theresa May nicht verhindern. Auch nicht, dass das Kommuniqué allen G20-Mitgliederländern nahelegt, "sich aktiv auf mögliche wirtschaftliche und finanzielle Folgen des britischen Referendums einzustellen".

Außenpolitisch überschatteten die von Merkel als "humanitär nicht mehr hinnehmbare Krise" in Syrien und die Lage in der Ukraine den G20-Gipfel. Trotz einer Fülle bilateraler Begegnungen, darunter auch ein bis in den frühen Morgen dauerndes Treffen zwischen Merkel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und ausführlichen Begegnungen Putins mit US-Präsident Barack Obama, gab es keine Annäherung in der Frage des Waffenstillstands in Syrien oder eines Endes der Gewalt.

Positiv und als wichtigstes konkretes Ergebnis schlägt sich die zum Auftakt des G20-Gipfels von China und den USA gemeinsam bekanntgegebene Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens nieder. Die G20-Mitgliederstaaten wollen sich daran orientieren und ihre jeweiligen nationalen Ratifizierungsverfahren, so schnell sie können, abschließen – um das Abkommen hinsichtlich der Reduzierung der Erderwärmung noch vor Ende 2016 in Kraft treten zu lassen. (Johnny Erling aus Hangzhou, 5.9.2016)