Kern will künftig häufiger SPÖ-Mitglieder in Entscheidungen miteinbeziehen, die Ceta-Befragung sei erst ein "erstes Experiment".

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Wien – SPÖ-Chef Christian Kern will häufiger Mitgliederbefragungen in seiner Partei durchführen. Bei der angekündigten Abstimmung über das Freihandelsabkommen mit Kanada gehe es ihm "weniger um das Ergebnis. Die fünf vorgelegten Fragen bilden die Komplexität von Ceta gar nicht ab. Mir geht es um den Diskussionsprozess". Um die Debatte anzustoßen, gebe es auch Beiträge von außen, etwa von IV-Präsident Georg Kapsch, Wifo-Chef Christoph Badelt oder von kanadischen Regierungsmitgliedern. Weitere Mitgliederbefragungen werde es geben, jene betreffend Ceta sei "ein erstes Experiment". So sei, wie bei der SPD, eine Abstimmung über einen künftigen Koalitionsvertrag denkbar.

Kern kündigte im Gespräch mit Chefredakteuren im Kanzleramt auch eine SPÖ-Initiative für mehr Steuergerechtigkeit Ende Oktober an. Auf die Frage, ob der Vorschlag eine Erhöhung der Vermögens- und Erbschaftssteuern enthalte, meinte Kern: "Alles andere wäre eine Überraschung."

"Intakte Chance" bis 2018

Die SPÖ wird formal nicht Partei für den von den Grünen unterstützten Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen ergreifen, Parteimitglieder werden sich aber engagieren. "Wenn Herr Hofer Präsident werden würde, wäre das eine ganz andere politische Landschaft." In diesem Fall müsste man international erst recht zeigen, dass Österreich ein stabiler Partner sei. Mit raschen Neuwahlen nach dem 2. Oktober rechnet Kern nicht. Er sieht "eine intakte Chance, dass wir bis 2018 weiter regieren". Vizekanzler Reinhold Mitterlehner streut Kern Rosen: "Meine Erfahrung ist, wenn ich mit Mitterlehner etwas ausmachen, dann hält das."

Im Herbst sollen neben der Umsetzung der Beschlüsse zur Bildungsmilliarde und der Start-up-Förderung noch Investitionsanreize für Unternehmen beschlossen werden, kündigte Kern an. Außerdem gebe es mit der ÖVP Konsens darüber, die kalte Progression zu bekämpfen. Kern will den Finanzausgleich mit den Bundesländern nicht für vier Jahre abschließen, die Gespräche seien derzeit in einer intensiven Phase. Der Regierungschef sprach sich auch dafür aus, alle Förderungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit auf den Prüfstand zu stellen: Dies gelte für Landwirtschaft, Forschung und Entwicklung sowie ÖBB gleichermaßen.

Zuwanderung reduzieren

Das Thema Integration will Kern nicht nur an der Notstandverordnung festmachen. Zuwanderung müsse auf ein integrierbares Maß reduziert werden, sagte der Kanzler. Er kündigte die Entsendung von Pionieren im Rahmen von internationalem Grenzschutzengagement an, auch der Arbeitersamariterbund werde in solche Einsätze eingebunden. Österreich trete auch für mehr EU-Hilfsmittel für Afrika ein, dass dies auch Geld aus Österreich bedeute, müsste erklärt werden. Für den Fall eines weiteren Ansturms müsse Österreich vorbereitet sein, darüber herrsche Konsens mit dem Koalitionspartner. "Wir müssen ein Maßnahmenbündel in der Schublade haben."

Zum Thema Mindestsicherung gebe es unterschiedliche Sichtweisen zwischen SPÖ und ÖVP. Die oberösterreichische Regelung, die Mindestsicherung nur für Flüchtlinge abzusenken, hält Kern für rechtlich nicht haltbar. Als Vorbilder nennt er die Steiermark und Vorarlberg. "Reformen, die wir machen, werden für alle gelten. Eine Differenzierung zwischen Ausländer und Inländer ist EU-rechtlich nicht möglich." Es werde mehr Sachleistungen und mehr Kontrolle geben. Die Höhe der Mindestsicherung hält Kern "nicht für eine Sollbruchstelle in der Koalition".

Kern will sich nun übrigens doch auch – so wie Mitterlehner – wöchentlich einem "offenen Pressefoyer" stellen. (Alexandra Föderl-Schmid, 5.9.2016)