Sportlich betrachtet ist der Ausgang des Außenministertreffens in Bratislava für Österreich ein Debakel. Leider übersteigt die schlechte Performance der österreichischen Außenpolitik die sportlichen Dimensionen bei weitem. Denn Bundeskanzler und Außenminister sind mit ihrer Forderung nach einem Abbruch der (momentan gar nicht existierenden) Beitrittsverhandlungen zwischen EU und Türkei allein auf weiter Flur geblieben.

Wiener Position an den Rand gedrückt

Christian Kern und Sebastian Kurz haben sich mit ihrer Manie, die dominierende Anti-Türkei-Stimmung in der Bevölkerung populistisch zu nützen, selbst geschadet. Der Außenministergipfel in der slowakischen Hauptstadt hat die Wiener Position an den Rand gedrückt. Das Gerede vom angeblichen Geschick der österreichischen "Diplomaten" wurde widerlegt.

Zuletzt hat sogar der frühere tschechische Außenminister Karl Schwarzenberg in einem Profil-Interview Kurz in die Mangel genommen. Dieser habe es bis dato noch nicht der Mühe wert gefunden, Prag einen Besuch abzustatten. Das sei ein Fehler, der in eine PR-zentrierte und nur auf innenpolitische Wirkungen abzielende Politik passe, ließ der ehemalige Kanzler des Friedenspräsidenten Václav Havel durchblicken.

Kern wiederum hat noch weniger außenpolitische Erfahrung als Kurz und möchte die seinerzeitige Achse zwischen seinem Vorgänger Werner Faymann und Angela Merkel wieder reparieren. Gleichwohl wäre es nötig, die latent schwächelnden Beziehungen mit Frankreich zu pflegen. Und Italien, das im EU-Dreieck mit Frankreich und Deutschland den Platz Großbritanniens eingenommen hat, sollte viel stärker in den Wiener Focus kommen.

Kein Michael Kohlhaas

Kurz hat Samstagabend im Fernsehen behauptet, es gebe sicherlich mehr Staaten, die Österreichs Position bezüglich der Türkei teilten, sie meldeten sich halt nicht öffentlich. So etwas kann man leicht behaupten, um die eigene Einsamkeit zu kaschieren. Und für einen Michael Kohlhaas eignet sich der smarte Minister nicht.

Erschreckend ist darüber hinaus, dass Kurz bereits in dem Wissen nach Bratislava gefahren sein muss, dass niemand auf sein Trittbrett aufspringen würde. Nicht einmal jene neuen Verbündeten Wiens auf dem Westbalkan, deren "Solidarität" bei der Schließung der Flüchtlingsroute groß gefeiert wurde. Ihre Inseln wollen sie halt auch nicht mit Syrern und Afghanen vollstopfen, ohne bezahlt zu werden; weder von der Uno noch von der EU-Kommission.

Nur wenige (darunter einige Wirtschaftsunternehmen) werden Österreichs Niederlage in Bratislava kritisieren.

Das Wiener Außenamt sollte sich trotzdem besinnen und sich lieber auf die Frage der Visafreiheit konzentrieren. Und Kompromissvarianten mitentwickeln. Wobei man von einer Position nicht heruntersteigen sollte: dass die Gleichsetzung von Erdogan-Kritikern und Terroristen durch die Türkei inakzeptabel ist. Hier scheiden sich ebenfalls die Geister. Hier geht es aber gleichzeitig um die Reduzierung der Flüchtlingsströme nach Europa.

Aber vielleicht bliebe Wien wenigstens in dieser Frage nicht allein. (Gerfried Sperl, 4.9.2016)