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Der Herr im blauen T-Shirt scheint Gipfelkreuze zu mögen. In Bayern aber ist jemand unterwegs, der mit dem christlichen Symbol hadert.

Foto: dapd

Berlin/Innsbruck – Wanderer, die unlängst auf den Schafreiter im oberbayerischen Lenggries stiegen, wollten ihren Augen nicht trauen. Das mächtige, fünf Meter hohe, 250 Kilogramm schwere Gipfelkreuz aus Eichenholz auf dem 2102 Meter hohen Berg im Vorkarwendel war durch Axtschläge so stark beschädigt worden, dass es von der Bergwacht gefällt werden musste, weil es spätestens beim nächsten Sturm aus der Verankerung gekippt wäre.

Das Kreuz hatte ein früherer Wegewart des Alpenvereins gestiftet. Nachdem es eine Zimmererklasse der Berufsschule in Bad Tölz angefertigt hatte, hatten es Bergsteiger vor 13 Jahren eigenhändig auf den Gipfel geschleppt. "Ein Berggipfel ist ein Ort des Friedens und der Ruhe. Und das macht so einer kaputt", ärgert sich Paul Schenk, Vorsitzender der Tölzer Alpenvereinssektion.

Doch der Anschlag auf dem Schafreiter ist nicht der einzige, der in den vergangenen Monaten passiert ist. Es gibt noch zwei weitere Vorfälle, die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt schon von einem "Kreuzmordrätsel".

Zwei Kreuze am Boden

Auch auf dem nahe gelegenen Prinzkopf und auf der Dudl-Alm ließ jemand seiner Zerstörungswut freien Lauf. Die beiden Kreuze wurden vollständig umgehackt. In der Region ist der "Kreuzmörder" Tagesgespräch. Jedenfalls, witzelte der Bayerische Rundfunk, müsse der Täter bei den Axtattacken einen "Heidenspaß" gehabt haben.

Der mit dem Fall betraute Vizechef der Tölzer Polizei, Josef Mayr, mutmaßt ebenfalls, dass es in diese Richtung geht: "Es gibt Freidenker-Gruppierungen, die sich darüber aufregen, dass Christen in der Natur äußere Zeichen ihres Glaubens aufstellen. Sie machen Stimmung gegen Gipfelkreuze und sagen, die Berge seien für alle da, nicht nur für Christen." Es ist auch unklar, ob alle Kreuze von derselben Person zerstört wurden.

Schafhirten mit Fernglas

Zweimal ist ein mutmaßlicher Täter beobachtet worden. Einmal sahen ihn Schafhirten durch ihr Fernglas und berichteten anschließend, der Mann habe unverhohlen Freude gezeigt.

Beim letzten Mal, auf dem Schafreiter, wollen Bergwanderer einen etwa 30 bis 40 Jahre alten Mann mit dunklen Haaren gesehen haben, der am Abend vor der Tatnacht mit einer Stirnlampe auf dem Weg zum Gipfel war. Einen ähnlichen Fall, sagt die Polizei, habe es in Deutschland noch nicht gegeben.

Verletzung von Gefühlen

Die Attacken haben sich auch ins angrenzende Tirol durchgesprochen. "Das sind absolut zu verurteilende Taten", sagt Michael Larcher vom Österreichischen Alpenverein (ÖAV) zum STANDARD. "Es handelt sich zunächst um eine Sachbeschädigung, aber viel schlimmer noch ist die Verletzung von Gefühlen."

Der ÖAV trete zwar nicht dafür ein, noch weitere Berge mit Gipfelkreuzen zu bestücken, die bestehenden zählen aber für ihn "zu Kultur und Tradition, die sich entwickelt haben". Larcher hat ins Archiv geschaut, in Österreich ist bisher kein Fall eines böswillig zerstörten Gipfelkreuzes aktenkundig.

2012 allerdings musste sich der Schweizer Bergführer Patrick Bussard vor Gericht verantworten, weil er im Kanton Freiburg Gipfelkreuze zerstört hatte. "Die Natur gehört keiner Religion", hatte er damals vor Gericht argumentiert – und dass er eine Debatte lostreten wollte. Er wurde wegen Sachbeschädigung und Verletzung der Religionsfreiheit zu einer Geldstrafe verurteilt. (Birgit Baumann, 3.9.2016)