Offiziell stehen die Türkei und die EU-Beitrittsverhandlungen beim zweitägigen Treffen der EU-Außenminister in Bratislava gar nicht groß auf der Tagesordnung. Die Chefdiplomaten der Union wollten nach der Vorgabe des slowakischen Außenministers Miroslav Lajcák beim Arbeitsfrühstück mit dem türkischen Europaminister Ömer Çelik am Samstag die aktuelle Krisenlage bereden.

Dennoch rückte bereits am Freitag die Frage, wie man mit dem Kandidaten in Ankara weiter umgeht, in den Vordergrund – mehr als die Krise in der Ukraine oder Strategien, wie man nach dem Brexit mit Großbritannien sicherheitspolitisch weitermacht.

Wegen der komplexen Verwicklungen im Krieg in Syrien und der Schlüsselrolle der Türkei bei der Eindämmung des illegalen Zustroms von Migranten über die Balkanroute treibt die EU-Außenminister die Sorge um, Präsident Tayyip Erdogan könnte – wie mehrfach angekündigt – den EU-Türkei-Pakt wieder aufmachen.

Einsame Forderung nach Abbruch der Gespräche

Österreich steht daher mit der Forderung, die Beitrittsverhandlungen abzubrechen, ziemlich allein da. Kanzler Christian Kern plant eine Initiative beim EU-Gipfel Mitte September. Eine breite Mehrheit der Staaten spricht sich für die Fortsetzung des Status quo aus: "im Gespräch bleiben", trotz der Verschärfung der Lage nach dem gescheiterten Putsch, wie Kommissar Johannes Hahn sagte.

Lajcák, derzeit EU-Ratsvorsitzender, sagte: "Der Beitrittsprozess ist der beste Hebel, den die EU hat, wenn wir den Prozess in Kandidatenländern beeinflussen wollen." Der Italiener Paolo Gentiloni hält den Stopp der Türkei-Gespräche für "keine gute Idee". In die gleiche Richtung argumentierte der Luxemburger Jean Asselborn: Er respektiere die Haltung Österreichs, das einen Abbruch verlangt. Würde man dem folgen, bedeute das, dass die EU keinen Einfluss mehr auf die Türkei habe, sagt Asselborn. Beim Zurückrudern in Sachen Todesstrafe habe sich das bereits gezeigt. (Thomas Mayer aus Bratislava, 3.9.2016)