Valentin Inzko ist sichtlich entrüstet. "Die Politiker in der Republika Srpska spielen mit dem Feuer", sagt der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina zum STANDARD. Es geht um das für 25. September angesetzte Referendum über den Feiertag der Republika Srpska (RS). Die RS ist einer von zwei Landesteilen Bosnien-Herzegowinas. Die Führung der RS, allen voran Präsident Milorad Dodik, will das Volk befragen, ob es weiterhin am 9. Jänner den Feiertag abhalten will, obwohl das bosnische Verfassungsgericht das im Vorjahr für verfassungswidrig befunden hat.

"Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs sind endgültig und umzusetzen. Alles andere wäre rechtliche Anarchie", sagt Inzko zu dem geplanten Referendum. "In einer bereits entschiedenen Sache kann auf unterer Ebene kein Referendum angesetzt werden. Wir stehen zwar vor Gemeinderatswahlen, aber die Verfassung gilt weiter, und auch die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs gelten nach wie vor."

Verurteilung

Bereits am Dienstag traf sich der Lenkungsausschuss des Friedensimplementierungsrats der internationalen Gemeinschaft, der für das Dayton-Abkommen von 1995 bürgt und hinter Inzko steht. Der Rat verurteilte das Referendum und forderte die RS auf, die Entscheidungen des Verfassungsgerichts zu akzeptieren. Am Dienstag wird nochmals getagt. Der Rat hat aber bisher keine Sanktionen beschlossen. Die Bonner Vollmachten, die der Hohe Repräsentant eigentlich zur Verfügung hätte, werden seit vielen Jahren nicht mehr eingesetzt.

Alle hofften nun, dass der serbische Premier Aleksandar Vučić die politischen Eliten in der RS noch zur Räson bringen könnte. Vučić hatte bereits öfters interveniert, wenn Dodik Referenden abhalten wollte. Am Donnerstag waren Dodik und andere Politiker der RS nach Belgrad gereist. Doch Vučić stellte klar, dass er nicht versuchen werde, die Führung der bosnischen Serben von einer Absage des Referendums zu überzeugen. Er selbst hatte zudem in der Vergangenheit in Banja Luka gemeinsam mit Dodik am 9. Jänner gefeiert. Vučić und der serbische Präsident Tomislav Nikolić meinten aber am Donnerstag, dass sie selbst das Referendum nicht unterstützen würden.

Nicht bindend

Das Referendum ist rechtlich nicht bindend. Dodik könnte es nur als Wahlkampfgag verwenden – am 2. Oktober finden Lokalwahlen statt. Er könnte aber natürlich auch weiter gehen. Es sieht nicht danach aus, als würde die internationale Gemeinschaft gegen das Referendum vorgehen. Ein Problem ist, dass sie auch über keine Instrumente verfügt, dieses zu unterbinden. Denn die Polizeimission der EU hat bereits 2012 das Land verlassen.

Politisch brisant ist, dass das Referendum zum RS-Feiertag als Probelauf für ein Referendum zur Abspaltung der RS von Bosnien-Herzegowina gesehen wird, was Dodik selbst so bestätigt. Er will zeigen, dass die Republika Srpska machen kann, was sie will, dass sie sich selbst als einen Staat versteht und dass sie sich nicht hineinreden lässt.

Dodik verfolgt seit vielen Jahren das Ziel, die RS zu einem unabhängigen Staat zu machen. Er reizt nicht nur rhetorisch, sondern auch rechtlich die Autonomiegrenzen aus. Gleichzeitig will er den Staat Bosnien-Herzegowina auf ein Minimum reduzieren und trachtet danach, dass dieser in keinerlei Hinsicht erfolgreich ist. Weil die internationale Gemeinschaft seit Jahren nicht darauf reagiert, wird auch das Amt des Hohen Repräsentanten in seiner Autorität unterlaufen; es gilt mittlerweile als zahnlos. Das hat auch mit der geopolitischen Lage zu tun, denn hinter ihm steht der völlig zerstrittene Lenkungsausschuss des Friedensimplementierungsrats. Russland legt sich dort gegen die Entscheidungen westlicher Staaten quer, aber auch die westlichen Partner haben keine Strategie.

1992 gegründet

Die Republika Srpska wurde am 9. Jänner 1992 unter der Bezeichnung Srpska Republika Bosna i Hercegovina ausgerufen, seit 12. August 1992 hat sie ihren heutigen Namen. Erst mit dem Dayton-Friedensabkommen 1995 aber wurde sie als einer von zwei Landesteilen des Staates Bosnien und Herzegowina anerkannt. Dodik möchte mit der Erinnerung an den 9. Jänner rechtlich etablieren, dass die RS bereits 1992 entstanden ist und Bosnien-Herzegowina ein konföderativer Staat sei, der erst 1995 aus zwei Landesteilen gebildet wurde und aus dem man sich in dieser rechtlichen Logik auch leicht wieder verabschieden kann. Das widerspricht zwar den Fakten, weil die RS vor 1995 nicht anerkannt wurde und auch dann nur als Landesteil, doch Dodik hat gute rechtliche Berater aus den USA.

Viele Jahre lang meinten Diplomaten und Beobachter, dass die sezessionistische Politik der RS in erster Linie ethnonationalistischer Populismus sei, und auch diesmal geht man davon aus, dass es Dodik in erster Linie um den Wahlkampf geht. Doch die Aussicht auf die Sezession, die er seit Jahren beständig in den Raum stellt, und die Betonung der Identität der Menschen als RS-Bürger haben nachhaltige Wirkung auf deren politische Einstellungen. Ausgangspunkt für das Referendum war übrigens eine Klage, die von bosniakischen Politikern gegen den RS-Feiertag angestrengt wurde – mit dem Ergebnis, dass nun alles noch viel verhärteter ist. (Adelheid Wölfl, 2.9.2016)