Schokoladenfabrikanten und Riesenpfirsiche – das war die Welt des Roald Dahl, die er in Büchern wie Küsschen, Küsschen, Der fantastische Mister Fox und Charlie und die Schokoladenfabrik beschrieben hat. 100 Jahre nach seiner Geburt am 13. September 1916 sind Dahls Bücher in mehr als 40 Sprachen übersetzt und Millionen seiner Kinderbücher verkauft worden. In seinem Heimatort Great Missenden, gut 50 Kilometer nordwestlich von London, steht ein Museum für den Meister des schwarzen Humors.

In Grat Missenden, gut 50 Kilometer nordwestlich von London, steht ein Museum für Schriftsteller Roald Dahl.
Foto: Wikicommons / geograph.org.uk

Ins Museum kommt man durch türgroße Schokoladentafeln, die zum Verdruss der zahlreichen jugendlichen Besucher aus Plastik sind. Dahinter wird das Leben des Schriftstellers erzählt. Unzählige Briefe, Fotos und Erinnerungsstücke wurden zusammengetragen, auch Dahls Sandalen, seine Royal-Air-Force-Fliegerkappe aus dem Zweiten Weltkrieg. Dort steht sein zerschlissener Ohrensessel zwischen Videoinstallationen und Tondokumenten. Jeder Raum ist erfüllt von Roald Dahl. Selbst auf der Toilette kann man seine markante, dunkle Stimme hören.

Ideenbuch hinter Schokoladentüren

Man wolle Kinder zum Schreiben animieren und sie ermutigen, den eigenen Fantasien zu folgen, sagt Amelia Foster. Die Literaturwissenschafterin hat das Roald-Dahl-Museum und -Geschichtenzentrum über viele Jahre hinweg geleitet. Jedes Kind erhält am Eingang, gleich hinter den Schokoladetüren, ein Ideenbuch. Da kann man während des Besuchs alles aufschreiben, was einem in den Sinn kommt. Auch Ausschneiden und Kleben ist im Ideenbuch erlaubt, ganz so, wie Dahl selbst zu arbeiten pflegte. Er benutzte solche Hilfsmittel, um vermeintlich sinnlose und wunderschön lautmalerische Wörter zu montieren. Er sammelte Listen von sich reimenden Wörtern und von Ein fällen, die er später in seine Geschichten einbaute. "Wir waren uns bei der Entwicklung des Museums jedenfalls einig, dass wir keinen Dahl-Tempel wollten", sagt Foster. Er habe nämlich drei Dinge gehasst: Museen, Bärte und langweilige Reden.

Wölfe in der Schreibhütte

In der Mitte des Museums steht ein Schuppen, der genauso wie Dahls Gartenhäuschen aussieht. Jeden Vormittag verschanzte er sich dort, um in seinem Ohren sessel zu versinken und mit preußischer Disziplin zu schreiben. Fast 40 Jahre arbeitete Dahl in Great Missenden. Stets mit gespitzten Bleistiften, die er sich extra aus den USA schicken ließ. In der Hütte wollte er allein sein. Nicht einmal seine Kinder durften hinein. In der Hütte gäbe es Wölfe, erzählte er ihnen, damit sie ihn nicht störten.

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Die Schreibhütte im Garten durften nicht einmal Roald Dahls Kinder betreten. Damit er Ruhe hatte, sagte er ihnen, es gäbe Wölfe in dem Häuschen.
Foto: AP /Roald Dahl Museum and Story Center

Dahls Name habe sich mittlerweile zu einem Markenlabel entwickelt, bedauert Amanda Conquy, die mit dem Autor persönlich befreundet war und jetzt die Roald-Dahl-Stiftung in Great Missenden leitet: "Er hatte einen bitterbösen, aber wundervollen Humor. Dahl sagte von sich selbst, dass er niemals erwachsen wurde. Und das stimmt. Er konnte uns mitten in der Nacht aufwecken und sagen: ,Los, raus aus den Betten, wir machen jetzt einen Mitternachtsspaziergang, und ich erzähle euch eine Geschichte!‘"

Ein Schlag gegen seine Birne habe ihn zum Schriftsteller gemacht, pflegte Dahl zu sagen. Schuld war der Absturz seines Kampfflugzeugs 1940 über der libyschen Wüste, den er trotz einer schweren Kopfverletzung überlebte. Als man ihn später bat, die Geschichte aufzuschreiben, waren Dahls Originalität und Talent unübersehbar.

Bigotte Erwachsene

Manche Literaturkritiker fanden seine Bücher abscheulich, antisozial, antifeministisch. Seine jugendlichen Leser machten ihn aber zu einem der weltweit erfolgreichsten Autoren. Er wusste, wie man Kinder für sich gewinnt. Dass sie sich gerne erschrecken und verblüffen lassen, dass sie sich gerne wundern und Unappetitliches schätzen. Dahls Bücher sind eigensinnig, makaber, satirisch und handeln von schäbigen, brutalen, bigotten Erwachsenen.

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Ein Bauer in York gestaltet seine Maisfelder jedes Jahr mit Themenlabyrinthen. 2016 kann man dort durch Figuren von Roald Dahl irren – im Bild Willy Wonka aus "Charlie und die Schokoladenfabrik".
Foto: LNP / Rex Features / picturedesk

Alles politisch Korrekte sei ihm zuwider gewesen, erinnert sich Amanda Conquy. Dahl habe Verleger und Lektoren mit beleidigenden Kommentaren verärgert. Seine rührende Hinterhältigkeit, immer nur Autoren zu loben, die bereits gestorben und also keine Konkurrenz mehr waren, zeuge vom Wunsch nach Anerkennung. Dahl wetterte gegen die Juroren des Man Booker Prize und gegen Salman Rushdie. Aber dieser Teil seiner Persönlichkeit wird im Museum fast völlig ausgeblendet, auch seine antisemitischen Äußerungen 1982 während des israelischen Libanon-Feldzugs.

Bestes touristisches Projekt

Das Museum wurde bereits als bestes touristisches Projekt in Großbritannien ausgezeichnet. Vielleicht, weil hier Kommunalpolitik und Kultur Hand in Hand gehen? Oder nur deshalb, weil es im Museum überall so wunderbar nach Schokolade riecht? "Ich hoffe, aus beiden Gründen", sagt Literaturwissenschafterin Amelia Foster. "Dieser besondere Geruch hier wurde jedenfalls eigens für uns hergestellt. Wir haben so ein kleines Gerät, das ihn überall im Haus verteilt. Aber verraten Sie das bloß niemandem!" (Michael Marek, 7.9.2016)