Hunderttausende gingen am Donnerstag in der venezolanischen Hauptstadt Caracas gegen Staatschef Nicolás Maduro auf die Straße.

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Am Rande der Massenproteste kam es zu Ausschreitungen.

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Maduro ließ sich zeitgleich bei einer Gegenkundgebung feiern.

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Caracas/Puebla – Mit einer Massendemonstration hat die venezolanische Opposition am Donnerstag den Druck auf Präsident Nicolás Maduro erhöht. Hunderttausende gingen in Caracas auf die Straßen, um den Rücktritt des sozialistischen Staatschefs und einen Termin für das Abberufungsreferendum zu fordern; die Opposition sprach von einer Million Teilnehmer. Beobachtern zufolge war es einer der größten Protestmärsche der letzten zehn Jahre.

Die venezolanische Hauptstadt war weitgehend militarisiert – sämtliche Zufahrtsstraßen waren abgesperrt worden, zudem hatte die Regierung privaten Flugverkehr und den Betrieb von Drohnen verboten sowie ausländische Korrespondenten abgeschoben. Maduro rechtfertigte die Maßnahmen mit Sicherheitsvorkehrungen, um einen Putsch zu verhindern; der Opposition zufolge handelte es sich jedoch um Schikanen, um das Ausmaß des Unmuts herunterzuspielen.

Am Rande der überwiegend friedlichen Kundgebung kam es zu Ausschreitungen. Bewaffnete Motorradkollektive – einer Bezeichnung für die Schlägertrupps der Regierung –warfen Steine auf Busse. Auch vereinzelte Zusammenstöße zwischen der Nationalgarde und vermummten Demonstranten wurden vermeldet.

Gegenkundgebung von Maduro-Anhängern

Auf der Avenida Bolívar in der Nähe des Stadtzentrums hielt Maduro derweil eine Gegenkundgebung ab, zu der einige tausend Anhänger – meist Staatsbedienstete – gekommen waren. Dabei drohte er, die Immunität der oppositionellen Abgeordneten aufzuheben, die seit Dezember das Parlament kontrollieren. Den Parlamentspräsidenten Henry Ramos Allup nannte er einen "Zombie" und drohte, ihn vor Gericht zu stellen.

Wegen der Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten – darunter die Festnahme von Oppositionellen – steht Maduro schon seit längerem auf der roten Liste von Bürgerrechtsorganisationen. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) spricht in Bezug auf Venezuela sogar von einer Diktatur.

Referendum zur Absetzung Maduros gefordert

"Nieder mit Hunger, Korruption und Inflation", waren einige der Schlachtrufe bei den Protesten. Der Erdölstaat ist vor zwei Jahren in eine Rezession geschlittert, die sozialistische Planwirtschaft hat zudem Hyperinflation und Güterknappheit verursacht.

Zu der Kundgebung hatte das Bündnis "Tisch der Demokratischen Einheit" aufgerufen. Ziel ist es, die Regierung dazu zu zwingen, das in der Verfassung vorgesehene Abberufungsreferendum gegen Maduro noch vor Jahresende anzuberaumen. Der Prozess, der mehrere Unterschriftensammlungen vorsieht, dauert schon seit April. Dass Maduro mit einer Popularität von derzeit 20 Prozent abgewählt wird, gilt als sicher. Um einen Machtwechsel zu vermeiden, zögert das von der Regierung kontrollierte Wahlgericht jeden Schritt hinaus. Ziel der Zermürbungstaktik ist, dass die Abstimmung nach dem 10. Jänner stattfindet. Dann würden nämlich keine Neuwahlen angesetzt, sondern der sozialistische Vizepräsident würde das Amt übernehmen.

Maduro hat ein Referendum noch in diesem Jahr bereits ausgeschlossen. Versuche der internationalen Vermittlung sind bislang gescheitert. "Entscheidend ist jetzt, ob die Opposition den Druck der Straße aufrechterhalten kann", sagt Meinungsforscher Luis Vicente León. "Die Regierung wird sich radikalisieren und mit Repression reagieren."

Rolle des Militärs entscheidend

Als Zünglein an der Waage in diesem Machtkampf gilt das Militär, vor allem Verteidigungsminister Vladimir Padrino López, den Maduro vor kurzem zum Wirtschafts-Superminister ernannte. "Der steigende Einfluss der Militärs, während die Legitimität der Regierung stetig abnimmt, ähnelt einem Zeitlupen-Putsch", schrieb der Analyst Phil Gunson von der International Crisis Group. Padrino gilt als Anhänger der sozialistischen Regierung; das Militär ist in den vergangenen Monaten hart gegen Plünderungen und Gewaltausbrüche in den langen Warteschlangen vor Supermärkten vorgegangen.

Bedingungslos scheint die Loyalität aber nicht zu sein: Bei der Wahl im Dezember stellte sich Padrino öffentlich denjenigen in der Regierung entgegen, die die Wahlniederlage nicht anerkennen und einen Straßenkrieg anzetteln wollten. (Sandra Weiss, 2.9.2016)