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Islam Karimow auf einem Archivbild. Über seinen Zustand gibt es seit Tagen keine verlässliche Nachricht, Todesmeldungen halten sich hartnäckig.

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Unsichere Feiern: Trotz des Machtvakuums an der Staatsspitze feierten Usbeken in Taschkent am Donnerstag das 25. Unabhängigkeitsjubiläum.

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Präsident Karimow hatte der staatlichen Airline zum Unabhängigkeitstag eine Boeing 787 gekauft. Sie wurde am Mittwoch empfangen, dass das Staatsoberhaupt sie noch sehen wird, gilt als unwahrscheinlich.

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Taschkent/Moskau – Ein Feuerwerk sollte es zwar nicht geben, doch die großen Feierlichkeiten wurden nicht abgesagt: Usbekistan begeht am Donnerstag den 25. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Der Nachrichtensprecher des nationalen Fernsehens verlas am Morgen noch eine Grußbotschaft von Präsident Islam Karimow an das Volk. Dabei ist die usbekische Führung derzeit überhaupt nicht in Feierlaune. Hinter den Kulissen läuft bereits der Machtkampf um die Nachfolge Karimows, der seit Tagen im Koma liegt. In einem der ärmsten Länder Zentralasiens direkt an der Grenze zu Afghanistan kann das verheerende Folgen haben.

Am 29. August hatte die Nachrichtenagentur Fergananews über Karimows Tod berichtet. Der Präsident sei an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben, meldete die Agentur. Aus Taschkent folgte ein Dementi. Unsicher und unwillig: Der Chef der Regionalverwaltung von Taschkent, Rachmonbek Usmanow, nannte den Zustand Karimows nach dem Schlaganfall "stabil". "Es wurde sogar berichtet, dass der Präsident für kurze Zeit aus dem Bett aufgestanden sei", sagte Usmanow. Er berief sich dabei allerdings mehr auf Hörensagen denn auf eigenes Wissen. Freitagfrüh gab es dann eine Mitteilung aus der Regierung: Karimow sei "in einem kritischen Zustand", der sich zudem innerhalb der vergangenen 24 Stunden massiv verschlechtert habe, teile die staatliche Zeitung "Narodnoye Slovo" mit.

Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am Freitagvormittag unter Berufung auf drei unterschiedliche diplomatische Quellen gar, Karimow sei bereits verstorben.

"Nur künstlich am Leben erhalten"

Danil Kislow, der Chefredakteur von Fergananews, hält im Gespräch mit dem STANDARD ohenhin an seiner Version fest. "Ich habe aus verlässlichen Quellen erfahren, dass er klinisch tot war", sagt er. Inzwischen werde Karimow wohl nur noch künstlich am Leben gehalten; das könne wohl noch eine ganze Weile so weitergehen, aber eine Rückkehr des Präsidenten auf seinen Posten schließe er aus, fügte Kislow hinzu. Es kursieren Gerüchte, dass der Schlaganfall zu weiteren schweren Kopfverletzungen infolge eines Sturzes geführt hat.

Mehr als ein Vierteljahrhundert hat Karimow die zentralasiatische Republik geführt, erst als regionaler kommunistischer Parteisekretär und später, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als zunehmend autoritärer werdender Präsident. Die Opposition wurde ausgeschaltet, Regimegegner getötet, ins Gefängnis gesteckt oder außer Landes getrieben. Bis zuletzt liefen alle Fäden bei dem 78-Jährigen zusammen.

Keine Nachfolger und langes Warten auf die Parte

Politisch wahrte Karimow dabei Neutralität zwischen den Großmächten Russland, China und USA – mit einer Schaukelpolitik einmal den einen, einmal den anderen etwas bevorzugend. Als Karimow 2005 Demonstrationen in Andischan, einer Großstadt im Ferganatal, blutig niederschlagen ließ, erntete er Kritik aus dem Westen. Sein Vorgehen rechtfertigte er als Kampf gegen militante Islamisten und wandte sich prompt Moskau zu. Später dann wurde Karimow vom Weißen Haus als Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus wieder umworben und sogar mit Waffen beliefert. Im Gegenzug bekamen die USA einen Stützpunkt. Auch die deutsche Bundeswehr unterhielt bis Ende 2015 noch einen Stützpunkt für den Afghanistan-Einsatz im usbekischen Termez.

Doch einen Nachfolger hat Karimow im Gegensatz beispielsweise zum aserbaidschanischen KP-Chef und Präsidenten Geydar Alijew, der die Macht seinem Sohn vererbte, oder dem russischen Präsidenten Boris Jelzin, der den Kreml an Wladimir Putin übergab, nie aufgebaut. Karimow hat zwei Töchter, Gulnara und Lola. Diese kommen im zutiefst patriarchalischen Usbekistan als Erben der Macht nicht infrage. Doch auch außerhalb der Familie gibt es keine eindeutige Regelung. Darum dürfte sich auch die Nachricht über den Tod Karimows in die Länge ziehen.

Die Verfassung als Problem

Als Favorit auf die Nachfolge sehen Kislow und der Zentralasienexperte Arkadi Dubnow Premierminister Schawkat Mirsijojew. "Er ist seit 15 Jahren im Amt, steht der Karimow-Familie und dem mächtigen Chef des nationalen Sicherheitsdiensts, Rustam Inojatow, nahe", begründet Kislow seine Prognose. Laut Dubnow wäre mit dem Machtantritt des 59-Jährigen auch eine stärkere Zuwendung Usbekistans zu Russland verbunden. Das bedeute aber noch keinen Beitritt zu den von Russland geführten Wirtschafts- und Militärbündnissen wie der Eurasischen Wirtschaftsunion oder dem Vertrag für kollektive Sicherheit, schränkt Dubnow ein.

Mirsijojews Problem ist die usbekische Verfassung. Die sieht nämlich für den Fall der Amtsunfähigkeit des Präsidenten zunächst die Übergabe der Geschäfte an den Parlamentschef Nigmatulla Juldaschew vor. Juldaschew hat bislang keine Ambitionen auf die Karimow-Nachfolge deutlich gemacht, doch der Appetit kommt bekanntlich beim Essen. Juldaschew ist Vertreter des Taschkenter Clans – im Gegensatz zu Mirsijojew, der eher die Region Samarkand vertritt. Zudem gibt es offenbar Differenzen zwischen Armeeführung und dem von Inojatow geführten Geheimdienst. Das bedeutet Spannungen. Die Verhandlungen über die Transformation dürften daher schwierig werden.

Keine Chancen für die Regierungsgegner

Sowohl die ins Ausland geflüchtete politische Opposition als auch die Islamisten im Untergrund werden die unsichere Übergangsphase für ihre Propaganda nutzen, ist Kislow überzeugt. Politische Chancen räumt er der Opposition allerdings nicht ein. Unter Mirsijojew werde es keine Veränderungen hin zu mehr Demokratie geben, meint er. Einen militärischen Angriff radikaler Kräfte aus dem benachbarten Afghanistan oder aber einen Bürgerkrieg schließt Kislow ebenfalls aus. Dazu reichten die Kräfte der Fundamentalisten nicht.

Weniger optimistisch ist der kasachische Politologe Dosym Satpajew, der vor möglichen Parallelentwicklungen in Kasachstan warnt. Auch dort ist mit Nursultan Nasarbajew (76) ein alternder und gesundheitlich angeschlagener ehemaliger KP-Chef seit einem Vierteljahrhundert im Amt. Eine klare Nachfolgeregelung fehlt auch in Astana: "Gott verhüte, dass das kasachische und das usbekische Szenario eines Machtübergangs in Richtung Destabilisierung zusammenfallen. Das wäre ein gewaltiges schwarzes Loch, das nicht nur das gesamte Zentralasien verschlingt, sondern auch Russland und China trifft", warnt er. Alle Seiten sollten daher an Stabilität bei der Machtübergabe interessiert sein, fügte er hinzu. (André Ballin, 1.9.2016)