Mehr als die Hälfte aller religiösen Konflikte in Ägypten hat den Ursprung in einem Streit um den Bau von Kirchen. Dieser ist seit 1856 in einem komplizierten Verfahren geregelt und wurde 1934 per Dekret vom damaligen stellvertretenden Innenminister Ezabi Pasha noch einmal verschärft. Die Hürden kamen fast einem Verbot gleich. Die diskriminierende Behördenpraxis habe zur Verbreitung einer sozialen Kultur geführt, die die Präsenz von Kirchen oder sogar deren Erneuerung ablehnt, hält die Ägyptische Initiative für Persönlichkeitsrechte (EIPR) fest.

Nun hat das ägyptische Parlament mit Zweidrittelmehrheit die Buchstaben der neuen Verfassung von 2014 erfüllt: Diese verlangt, dass in der ersten Session ein neues Gesetz zum Bau und zur Renovierung von Kirchen verabschiedet wird. Auch die Legalisierung der ohne Bewilligung errichteten Kirchen wird geregelt. Über den Text wurde lange hinter verschlossenen Türen gerungen. Auch Präsident Abelfattah al-Sisi hatte auf eine Einigung gedrängt.

Ablehnung muss begründet werden

Nach der Novelle muss der lokale Gouverneur im Laufe von vier Monaten über Gesuche zum Bau neuer Kirchen entscheiden. Eine Ablehnung muss begründet werden. Es gibt auch die Möglichkeit, einen negativen Entscheid juristisch weiterzuziehen.

Die drei großen christlichen Kirchen – die orthodoxe, die katholische und die anglikanische – hatten zuvor den Text abgesegnet. Die islamistische al-Nur-Partei hat gegen das Gesetz gestimmt, weil die Verfassung den Islam und nicht das Christentum als Religion des Staates definiere. Halbmond und Kreuz würden sich mit diesem historischen Entscheid umschlingen, hatte Parlamentspräsident Ali Abdel-Al gemeint.

Kopten sind skeptisch

Koptische Intellektuelle und Aktivisten sind da weniger euphorisch: Der Chefredakteur der koptischen Wochenzeitung "al-Watani" sprach gar von einer "tickenden Bombe". Er kritisierte vor allem die Notwendigkeit eines Bedarfsnachweises. Dabei gibt es in Ägypten gar keine offiziellen Statistiken über die Zahl der Christen, die rund zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen. Zudem würden genaue architektonische Vorgaben gemacht. Mit schwammigen Formulierungen werde viel Raum für negative Bescheide geschaffen, lautet die Befürchtung.

Diskriminierung bleibt

Das neue Gesetz schafft allenfalls Erleichterungen, aber keine Gleichstellung mit den Muslimen. Die Diskriminierung bleibt bestehen. Die Kopten hatten deshalb ein einheitliches Gesetz zum Bau sakraler Gebäude gefordert.

Laut offizieller Statistik gibt es in Ägypten 2.869 Kirchen und 108.000 lizenzierte Moscheen. Viele Kirchen bleiben geschlossen, weil die Sicherheitsbehörden es so verfügen. Erst die Praxis wird zeigen, ob das neue Gesetz die Möglichkeiten der Christen, ihren Glauben frei zu praktizieren, tatsächlich verbessert. (Astrid Frefel aus Kairo, 1.9.2016)