Nach der Annexion von Bosnien-Herzegowina durch Österreich-Ungarn marschierte vor mehr als hundert Jahren ein bosniakisches Regiment durch die Steiermark. Die Soldaten trugen ihr morgenländisches Gewand, den roten Fez auf dem Kopf. Die Musik spielte orientalische Märsche. Einige Steirer pöbelten gegen die exotischen Gestalten und griffen sie auch tätlich an. Die Reaktion der Behörde, mit ausdrücklicher Billigung des Kaisers, war prompt. Die Rädelsführer wurden verurteilt und eingesperrt. Die Botschaft war eindeutig: Das sind unsere Leute, ob Muslime oder Christen, ob Fez oder Tschako. Wer ihnen etwas antut, hat keinen Pardon zu erwarten.

Das ist so ziemlich das genaue Gegenteil dessen, was derzeit in Frankreich rund um Burka- und Burkiniverbot abläuft und was einige ÖVP-Politiker beflissen nachmachen wollen. Bei den Franzosen spielen dabei die jüngsten Terrorangriffe eine Rolle, aber auch der strikte Laizismus, der in den letzten Jahren in Frankreich zu einer Art Ersatzreligion geworden ist. Dort ist es eine Straftat, in seiner äußeren Erscheinung in demonstrativer Weise die Zugehörigkeit zu einer Religion zu zeigen. Nicolas Sarkozy, der wieder Präsident werden will, geht noch weiter und verlangt von den Zuwanderern "nicht Integration, sondern Assimilation". Was in den Anfängen der französischen Republik als Abgrenzung von der mit den Monarchisten verbundenen katholischen Kirche begann, hat sich nun zunehmend zu einer Waffe gegen Muslime gewandelt.

Die österreichische Tradition ist anders. Uns kommt in Sachen Integration das Erbe des Vielvölkerstaates zugute, die Tatsache, dass der Islam hierzulande seit 1912 anerkannte Religion ist und dass die Leute zwar auf die Ausländer schimpfen, aber trotz Kronen Zeitung und FPÖ-Propaganda im Alltag nicht so schlecht mit ihnen auskommen. Die Aussage eines Wiener Arbeiters, nach seiner Meinung über Zuwanderer befragt, ist dafür nicht untypisch. In unsere Partie, meinte er, kommt jedenfalls kein Ausländer herein. Hingewiesen auf einen schokoladebraunen Kollegen erklärte er empört: Der? Das ist doch kein Ausländer, das ist der Mustafa!

Die Wiener Bezirke Rudolfsheim und Favoriten sind zwar stark von muslimischen Zuwanderern geprägt, lassen sich aber mit der Pariser Banlieue, in die sich die Polizei kaum mehr hineinwagt, nicht im Entferntesten vergleichen. Und in Österreich gibt es, anders als etwa in Polen, eine vernünftige und dialogbereite katholische Kirche, die kein Hindernis, sondern ein hilfreiches Element bei der Zusammenarbeit mit den Muslimen ist.

Österreich könnte, wenn es wollte, in Sachen Integration ein Vorreiter in Europa sein. Wir haben die Erfahrung und die entsprechenden Leute. (Den Islamwissenschafter Mohammed Khorchide, einen Vordenker des demokratischen und europäischen Islam, haben wir leider nach Deutschland gehen lassen.) Konservativ sein heißt im gängigen Sprachgebrauch bewährte Traditionen hochhalten und nicht jeder Tagesmode nachlaufen. Fremde einzugliedern ist eine solche urösterreichische Tradition. Es wäre nicht schlecht, wenn sich die angeblich konservativen Politiker Sobotka und Kurz an diese erinnerten. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 31.8.2016)