Ein Foto aus dem Mai: ein US-Soldat einer Spezialeinheit in Syrien mit dem gelben Abzeichen der kurdischen YPG-Miliz. Um Ankara zu beruhigen, spielen die USA die Zusammenarbeit jetzt herunter.

Foto: AFP PHOTO / DELIL SOULEIMAN

Ankara/Washington/Wien – Auf das kurze Tauwetter zwischen Ankara und Washington folgt ein Donnerwetter. Der US-Botschafter in der Türkei, John Bass, wurde noch am Dienstag ins Außenministerium in Ankara zitiert, um den Protest gegen die "völlig inakzeptablen" amerikanischen Äußerungen entgegenzunehmen: Gemeint sind die Aufforderungen von verschiedenen US-Stellen – am prominentesten Verteidigungsminister Ash Carter – an die Türkei, den Kampf gegen die syrischen Kurdenmilizen YPG bei Jarablus und Manbij westlich des Euphrat nicht auf die Spitze zu treiben.

Großen Ärger rief auch eine Behauptung aus dem Pentagon hervor, es gebe eine "lose Vereinbarung" über eine Waffenruhe zwischen der Türkei und den Kurden. Die Türkei sei ein unabhängiger Rechtsstaat, der keine Vereinbarungen auf Augenhöhe mit der PYD/PKK schließe, stellte Europaminister Ömer Çelik klar. Die YPG sind der militärische Arm der PYD, und Ankara wirft beiden vor, nichts anderes als Suborganisationen der PKK zu sein.

Demnach werden also die Türkei und ihre derzeitigen Verbündeten im Norden Syriens weiter gegen die YPG beziehungsweise deren Verbündete kämpfen. Die Kurden haben sich ja angeblich großteils nach Osten über den Euphrat zurückgezogen – nicht so jedoch die anderen Elemente der SDF, der von den USA für den Kampf gegen den "Islamischen Staat" hochgepäppelten Syrischen Demokratischen Kräfte. Die SDF hatten den IS unter großen Verlusten aus Manbij vertrieben und wollen es jetzt nicht aufgeben.

Die USA – nicht zuletzt im Bemühen, ihre nach dem Putschversuch in der Türkei äußerst angespannten Beziehungen zum Nato-Partner wieder zu verbessern – hatten zuvor Verständnis für die türkische Nervosität wegen des Vorrückens der YPG gezeigt und klargemacht, dass sie "keine unabhängige Initiative" der Kurden in Syrien unterstützen. US-Außenminister John Kerry spielte die US-kurdische Kooperation als "beschränktes Engagement auf beschränkter Basis" herunter.

Mehr als Schuss vor den Bug

Falls das ein US-Versuch war, die Türken davon zu überzeugen, dass mehr als ein Schuss vor den Bug der Kurden nicht notwendig sei, dann ist das gründlich schiefgegangen. Die USA stehen nun äußerst schlecht da: als unzuverlässig und schwach.

Allerdings meldete sich am Mittwoch auch Russland zu Wort, das sich bisher herausgehalten hatte: Die Türkei sollte keine Gruppen bekämpfen – auch keine Kurden -, wenn diese gegen den IS kämpfen. Noch ringen die USA und Russland ja um eine Formel, wie eine nachhaltige Waffenruhe zwischen Rebellen und Regime in Syrien erreicht und der Kampf gegen IS und Al-Kaida trotzdem aufrechterhalten werden kann. Wenn die beiden nun bei der Kurdenfrage einer Meinung sind, ist das ein Dämpfer für Ankara, das seine Beziehungen zu Moskau zuletzt stark verbessert hat.

Was derzeit im Gebiet von Jarablus und Manbij geschieht, stellt einmal mehr das Konstrukt von "gemäßigten" und nicht gemäßigten Rebellen auf den Kopf, mit dem die USA im syrischen Sumpf zu navigieren versuchen. Da sind also auf der einen Seite die US-geförderten SDF (Syrische Demokratische Kräfte), die stärkste Kraft am Boden gegen den IS. Auf der anderen Seite besteht Ankara darauf, die Rebellen, denen die türkischen Truppen jetzt zum Durchbruch verhelfen, "FSA" zu nennen: also jene "Freie Syrische Armee", die ja ebenfalls Gruppen miteinschließt, die von den USA geprüft und für unterstützenswert befunden wurden. Einige haben sich allerdings radikalisiert, etwa die Nureddin-Zengi-Brigaden. Es gibt ein Video, auf dem Zengi-Kämpfer einen halbwüchsigen Buben köpfen. Und sie sind jetzt in der türkischen FSA mit dabei.

Man könnte sie auch die "bärtige FSA" nennen: Arabische Islamisten (sowohl Salafisten als auch Muslimbrüder) sowie eine starke turkmenisch-islamistische Komponente, wie etwa die Sultan-Murad-Division. In diesem Umfeld ist auch Seyf Ebubekir angesiedelt, der mit der von ihm gegründeten Hamza-Division auch bei der Offensive dabei sein soll. Er wurde immer wieder als angeblicher Verbindungsmann zwischen der Türkei und dem IS genannt. Für viele Syrer, auch wenn sie Regime-Gegner sind, ist die türkische FSA eher zum Fürchten. (Gudrun Harrer, 31.8.2016)