"Das Faszinierende an der Fotografie ist, dass sie einen Moment für die Ewigkeit festhalten kann", sagt Fero Zboray. Mit kleinen Schritten nähert er sich einem jungen Mann, der auf einer Bank im Wiener Auer-Welsbach-Park sitzt und auf seinem Laptop schreibt. "Es kostet mich noch immer jedes Mal Überwindung, fremde Menschen anzusprechen", gibt der erfahrene Fotograf zu.

Zboray streckt seine Visitenkarte aus, auf der "Humans of Vienna" und der Facebook-Link der Seite stehen. Er erklärt dem jungen Mann, wer er ist und was er macht. "Ich betreibe einen Blog namens 'Humans of Vienna', wo ich Menschen aus der Anonymität der Stadt heraushole, indem ich etwas über sie schreibe und ein Bild von ihnen veröffentliche."

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Der junge Mann macht neben ihm auf der Bank Platz und lädt Zboray ein, sich hinzusetzten. Sie unterhalten sich über die Arbeit des Mannes, über seine Träume, seine Zukunftspläne und Musik. "Die Gespräche werden immer länger. Früher habe ich mich nur ein paar Minuten mit den Personen unterhalten, derzeit spreche ich manchmal über eine halbe Stunde mit den Menschen, die ich dann auf der 'Humans of Vienna'-Seite porträtiere."

Für das Bild nimmt sich Zboray ebenfalls viel Zeit. "Mit der Erfahrung werden die Ansprüche an das Foto immer größer. Anfangs war mir die Qualität der Fotos nicht so wichtig wie jetzt." Also wird mehrmals geknipst, bis Zboray zufrieden ist.

Der gebürtige Slowake lebt seit 1991 in Wien und hat schon zahlreiche künstlerische Projekte gemacht. "Ich habe drei Kurzfilme gedreht und Regie bei einem Theaterstück geführt. Ich war auch Teil einer Hip-Hop-Gruppe," erzählt Zboray mit Stolz.

Inspiration aus New York

Zur Fotografie kam er durch seinen Vater, der ihm immer wieder sein Equipment borgte. Seit knapp 13 Jahren betreibt er Fotografie, seit 2008 postet er seine Bilder auf Flickr. "Nachdem ich den Blog von Brandon Stanton, 'Humans of New York', entdeckt hatte, suchte ich sofort auf Facebook, ob es auch schon einen solchen Blog für Wien gab, und musste zu meiner Enttäuschung feststellen, dass jemand 'Humans of Vienna' schon gestartet hatte."

Es verstrichen Tage, bis Zboray den Mut fasste und die Gründerin von "Humans of Vienna", Stefanie Weberhofer, anschrieb. "Das war Anfang 2014, da lief der Blog schon ein paar Monate," erzählt Zboray. Die nächsten Monate gingen sie zu zweit durch Wien und machten zahlreiche Porträts. Im Juni 2014 verließ die Gründerin das Projekt, seither führt Zboray es alleine fort. "Wien ist so eine tolle Stadt mit so vielen unterschiedlichen Kulturen und Menschen. Auch wenn es manchmal hart ist, sich immer aufs Neue zu motivieren, denke ich, ist das Projekt wichtig für die Stadt und ihre Menschen. Deswegen mache ich es noch immer."

Babypause

Heuer im Frühling legte der Blog eine kleine Pause ein. "Ich bin vor kurzem Vater geworden und arbeite auch Vollzeit. In den letzten Monaten der Schwangerschaft und den ersten Monaten nach der Geburt hatte ich eine kleine Pause eingelegt. Jetzt gehe ich wieder häufiger raus, immer dann, wenn es die Zeit zulässt, und suche nach neuen Menschen von Wien."

Mittlerweile wurden schon mehr als 250 "Humans of Vienna" porträtiert, und obwohl das Projekt keine Einkünfte generiert, will der Fotokünstler noch lange weiterbetreiben: "Ich mache es nicht des Geldes wegen und werde es so lange machen, solange ich Spaß daran habe." (Siniša Puktalović, 2.9.2016)