Wien – "Was wir heute sehen, ist die größte grundlegende Änderung, die wir in der Geschichte der Medien je gesehen haben. Es gibt eine gewaltige Bewegung in Richtung digitale Medien", sagte Rüdiger Wanck, Chef von GroupM Connect, am Dienstag in Alpbach. Die Technologieplattform wickelt für die vier Mediaagenturen der GroupM den Werbehandel ab, ein Milliardengeschäft.
Das was derzeit stattfinde, sei aber erst "das Ende vom Beginn" – es würden noch viel mehr Veränderungen folgen. Dabei gebe es auch viele Chancen, nicht nur für die noch immer rasch wachsenden Megakonzerne wie Google und Facebook, sondern auch für eher traditionelle Inhalteanbieter. "Ich denke nicht, dass es jemals so viel Bedarf an Medien gegeben hat, wie heute", sagte Wanck. Trotz Digitalisierung würden etwa immer mehr Leute fernsehen.
Basisgeschäft noch immer dasselbe
"Es sind die Druckmedien, die eine schwierige Zeit haben", so Wanck weiter. Viel Print – und damit Werbung – habe sich in den digitalen Bereich verschoben. Es mache keinen Unterschied, ob jemand eine Zeitung oder ein Magazin gedruckt oder elektronisch lese, nur die Werbung sei eine andere. Das Basisgeschäft sei aber noch immer dasselbe.
Die meisten traditionellen Unternehmen würden damit kämpfen, diesen Übergang zu schaffen und sich wirklich von einem Medienunternehmen zu einem Medien- und Technologie-Unternehmen zu entwickeln. Als Verleger müsse man voll integriert sein – mit Datenverarbeitung und Technologie. "Und das ist eine fundamentale Verschiebung zu dem, wo wir für viele Jahren hatten".
"Das große Spiel beginnt erst"
Trotz der dominant erscheinenden Riesenkonzerne wie Google und Facebook, auf die in den USA ein großer Teil der digitalen Werbeinvestitionen falle, gebe es noch genug Platz für neue Unternehmen, ist Wanck überzeugt, denn "das große Spiel beginnt erst". Das zeige sich alleine daran, wenn man sich die Gelder ansehe, die zu Google fließen – in vielen Fällen repräsentiere Google aber bloß die Medienunternehmen: "Es sind nicht die Google-Programme, die es auf Youtube gibt, sondern jene der Fernsehunternehmen".
"Wenn der Markt zu wachsen beginnt, die Medienunternehmen ihre Eigentümerschaft ernster nehmen, mit ihren eigenen Technologien beginnen, ihre eigenen Datenverarbeitungen verbinden, dann ist noch immer genug Raum, um mitzuspielen", so Wanck. Beispielsweise habe es in den USA zu Beginn der Fernseh-Ära auch nur drei Sender gegeben. "Und wie viele sind es jetzt?" Dasselbe werde im digitalen Bereich passieren.
Schwieriger Übergang
Auch in Europa und in Österreich sei der Übergang möglich. Da wie dort gebe es noch immer sehr erfolgreiche und mächtige Verlage wie Bertelsmann, Axel Springer oder ProSieben. Auch wenn die Zahl der Zeitungs- und Magazinleser zurückgehe, gebe es noch immer sehr erfolgreiche Blätter. "Wenn diese Konzerne sich stärker in den digitalen Bereich entwickeln, werden sie bestimmt eine wichtige Rolle spielen".
Der Übergang werde aber schwierig, weil sie aus einem sehr traditionellen analogen Hintergrund kämen. Und jetzt müssten sie sich in einem stärker digitalen Raum entwickeln, wo sich die Konsumgewohnheiten geändert haben. "Der Trend bei den Kids zu digitalen Medien ist nicht zu stoppen"
"Es geht wirklich darum, diesen Neustart zu finden", so Wanck. Er glaube nicht, dass das Neue komplett das Alte ersetzen werde. Der Neustart müsse eingerichtet und an die neue Welt angepasst werden. "Ich bin mir sicher, dass es noch ein komplett gesundes Umfeld für diese Unternehmen zum Überleben gibt. Ich sehe das nicht schwarz-weiß". Google und Facebook würden nicht die Welt übernehmen und es bleibt nichts übrig. Das wäre auch nicht gut. Die Unternehmen müssten aber den Übergang machen. "Sonst kommt es wirklich zur Totalübernahme durch die US-amerikanischen Unternehmen".
"Bewegung" statt "Kannibalisierung"
Dies als "Kannibalisierung" der traditionellen Medien durch die digitalen Medien zu bezeichnen, findet Wanck falsch, vielmehr sei es eine "Bewegung": "Es geht immer auch um Werbung und Leute. Die Leute bewegen sich von den traditionellen Medien zu den digitalen und das Geld bewegt sich mit", so Wanck.
Die größte Schwierigkeit bei dieser Transformation sei, dass sich die Organisation von alt zu neu bewegen müsste. Die traditionellen Medien müssten sich neu erfinden. Alle Einnahmen müssten in die neuen Bereiche fließen, wogegen sich Widerstand bilden könnte. "Die Leute wollen keine Veränderungen". Das seien menschliche Aspekte. Der Wandel sei für viele unbequem.
Teuer
Geschäftlich gesehen sei der Wandel auch teuer. Eine Webseite, mit der man auch Geld machen wolle, sei in der Realität nicht billig. "Man braucht Daten dahinter und Leute, die das System betreuen und betreiben können. Sie brauchen die Technologie, um die Seite mit den richtigen Werbeeinschaltungen zur rechten Zeit am rechten Platz zu versorgen". Das sei teuer und ein größeres Hindernis, als viele Leute realisierten. "Ein großartiges Magazin einfach ins Internet zu stellen – damit hat es sich nicht, das ist nicht mehr gut genug." (APA, 31.8.2016)