Bei einer Demo vor der nationalen Regulierungsbehörde RTR forderten Aktivisten schärfere Regeln zur Netzneutralität.

Foto: AKVorrat/Hautzinger

Ein "Triumph für digitale Grundrechte in Europa": So bezeichnet der Aktivist Thomas Lohninger in einer Aussendung die neuen Regeln für Netzneutralität, die das europäische Regulierungsgremium Berec am Dienstag präsentiert hat. Es stellt den letzten Schritt zur Implementierung jenes Gesetzes dar, das im April 2014 im EU-Parlament beschlossen worden war. Damals wollten die EU-Abgeordneten eine starke Netzneutralität gesetzlich verankern. Nach Verhandlungen im sogenannten Trilog, an dem EU-Kommission und Vertreter der einzelnen EU-Mitgliedstaaten teilnehmen, war der Text allerdings stark verwässert worden und erlaubte zahlreiche Schlupflöcher.

Schlupflöcher offenbar gestopft

Diese mussten nun von den nationalen Regulierungsbehörden interpretiert werden, die gemeinsam als Berec auftreten. Auch sie präsentierten Anfang Juli ein Regelwerk, das immer noch Lücken beinhaltete. Doch mehr als 500.000 EU-Bürger beteiligten sich über ein Kommentarverfahren am Regulierungsprozess. Am Dienstag präsentierte Berec nun die endgültige Version, die auf breite Zustimmung bei Datenschützern stößt. Neben Thomas Lohninger von der österreichischen Initiative AK Vorrat lobte etwa auch Estelle Masse von Access Now den neuen Text: "Berec hat geliefert, was die Öffentlichkeit seit drei Jahren fordert: einen starken und klaren Schutz für Netzneutralität."

Spezialdienste stärker reguliert

Die finalen Richtlinien wurden erst am Dienstag präsentiert, weshalb eine genaue Analyse erst folgt. Laut den Datenschutzinitiativen ist es aber zu klareren Definitionen sogenannter Spezialdienste gekommen, außerdem wurden im Bereich Verkehrsmanagement und Zero-Rating Vorschläge der Aktivisten berücksichtigt. Der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon kritisiert allerdings, dass beim Zero-Rating weiterhin "problematische Schlupflöcher" bestehen.

Grundsätzlich geht es bei der Netzneutralität um die Frage, ob Telekomanbieter gewisse Services – etwa Streaming-Dienste – bevorzugt behandeln dürfen und dann etwa mehr Geld von ihren Kunden für diese Angebote verlangen dürfen. Beim Zero-Rating würde der Datenverbrauch eines gewissen Dienstes nicht beim Datenpaket des Nutzers, etwa 3 GB, verrechnet werden.

Das wollen Aktivisten um jeden Preis verhindern, da sie ein Zweiklasseninternet fürchten. Mit dem finalen Regelwerk von Berec erhalten nationale Regulierungsbehörden offenbar ein starkes Instrument, um den leichtfertigen Einsatz der Kategorisierung "Spezialdienst" zu verhindern. Zuvor hatte die Telekomindustrie gedroht, den Ausbau des neuen Netzes 5G zu verlangsamen oder gar auszusetzen, sollten durch "Spezialdienste" nicht Zusatzeinnahmen lukriert werden können.

In einer Aussendung begrüßt die zuständige heimische Telekombehörde RTR die Regelung: "Die RTR hat sich am Erstellungsprozess der Leitlinien intensiv beteiligt und ist davon überzeugt, dass durch die nun finalisierte Version die Netzneutralität in Europa nachhaltig abgesichert ist." (Fabian Schmid, 30.8.2016)