In Graz ist ein bürokratischer Streit um Kehrstege für Rauchfangkehrer, wie sie in allen Städten verwendet werden, entbrannt. Sie sollen wegen der schlechten Optik abgebaut werden.

Foto: Julia Schilly

Graz – Sie ist irgendwie ein rätselhaftes Wesen, die österreichische Bürokratie – kaum zu durchdringen, distanziert, oft hochmütig, aber auch voller Fantasie, wenn es darum geht, Heerscharen von Beamten zu beschäftigen. Ihr großes Potenzial ist am schönsten in den kleinen exemplarischen Beispielen zu ermessen. Wie etwa an den sogenannten Kehrstegen auf den Dächern von Graz.

Es ist nur ein kleiner Kleckser im Stadtbild von Graz, der jahrzehntelang niemanden interessiert hat. Nun aber, nachdem ein Mitglied der Altstadtkommission einen Blick nach oben auf die Dachlandschaft der Innenstadt geworfen hatte, wurde das strenge Auge der Altstadtbewahrung dieser Gitterstege für Rauchfangkehrer gewahr. Umgehend wurde der bürokratische Apparat angeworfen und der Amtsschimmel aus der Koppel gelassen. Eine Sitzung folgte der nächsten, die Grazer Beamtenschaft wurde auf Trab gebracht.

Was Kehrsteige sind? Sie dienen seit alters her der Sicherung von Rauchfangkehrern und -innen, damit sie beim Kehren der Kamine einen Halt finden. Also eine durchaus sinnvolle Sicherheitsvorrichtung.

Die "schiachen" Kehrstege

Gut 60 Hauseigentümer in der Grazer Innerstadt haben in letzter Zeit nun eine baubehördliche Mitteilung bekommen – mit der Aufforderung, diese Stege zu entfernen. Die Altstadtkommission habe befunden, "dass die Kehrstege ganz einfach schiach sind", sagt Andreas Krainer, dessen Behörde dem Wunsch der Altstadtkommission, diese zu entfernen, jetzt nachkommt.

Jetzt wird's aber heikel: Denn der Landesinnungsmeister der Rauchfangkehrer, Christian Plesar, steigt auf die Barrikaden. Ohne diese Stehhilfen, ohne Kehrstege, könnten die Rauchfangkehrer ihren gesetzlichen Auftrag des Kaminfegens nicht erfüllen. "Wir brauchen Stege, die Alternative wäre nur, dass die Hauseigentümer ihre Öfen stilllegen müssten", sagt Plesar. Seit mehr als einem halben Jahre werde das Problem jetzt hin und her gewälzt, natürlich gebe es auch freundlichere, den Dächern farblich angepasste Varianten, aber da bleibe die Frage: "Wer zahlt's?"

Der bürokratisch aber rätselhafteste Punkt: Die Entfernung der Stege kann so einfach gar nicht angeordnet werden. Die Kaminstege waren zum Teil nämlich seinerzeit vor mehr als 30 Jahren von der Baubehörde sogar vorgeschrieben und genehmigt worden. Und die damalige Altstadtkommission habe ihr Okay gegeben, klagen betroffene Hausbesitzer. Dazu schreibt die Behörde jetzt kleinlaut an die Hauseigentümer, sorry, aber die entsprechenden Auflagen waren damals, "unklar bzw. widersprüchlich formuliert".

Die Beamten brüten jedenfalls seit Monaten über der Causa. "Wir müssen unzählige Bauakten von allen Besitzern der betroffenen Gebäude durchackern, eine ganz blöde Gschicht", stöhnt Andreas Krainer von der Baubehörde.

Das Problem mit der Optik

Neben den Kehrsteigen hat die Altstadtkommission aber auch an einem wirklich großen Brocken zu knabbern. Am Karmeliterplatz steht seit einigen Monaten ein dunkler, nein, eigentlich fast schwarzer, luxuriöser Wohn- und Büroblock. Nicht nur die Bauherren, auch die Baubehörde und eben auch die Altstadtkommission, die dem Bau zustimmte, sind dem Vernehmen nach recht frustriert. Denn die Farbe, heißt es, sei im Plan wesentlich freundlicher "rübergekommen" als jetzt auf der großen Hausfläche. Neben dem schwarzen Koloss auf dem an sich luftigen Karmeliterplatz sind aber noch zwei weitere im Bau.

Zumindest ohne Kehrstege. (Walter Müller, 30.8.2016)