Zwei Reisende, die sich weder als Fremde noch als Einheimische fühlen: Houchang und Tom-Dariusch Allahyari.

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Stadtkino Filmverleih

Wien – Wie in Marcel Prousts Recherche das in Tee getauchte Sandgebäck, so ist für Houchang Allahyari die gekochte Rote Rübe ein Erinnerungskatalysator. Deren spezielles Aroma lässt für den Psychiater und Filmemacher (Der letzte Tanz), der 1960 als Student nach Wien auswanderte, nicht nur seine Kindheit in Teheran wieder sinnlich erfahrbar werden, sondern fördert dadurch auch die Selbstreflexion. Der gemeinsam mit seinem Sohn Tom-Dariusch Allahyari gedrehte Rote Rüben in Teheran beschäftigt sich folglich auch weniger mit dem Iran, sondern mit seinen Regisseuren.

Die Einladung zu einem Filmfestival führt Vater und Sohn nach Isfahan, wo sie ihren gemeinsamen Film Bock for President präsentieren. Anschließend reisen die beiden nach Teheran, um lebende und verstorbene Verwandte zu besuchen. Für Houchang ist es der erste Aufenthalt in der alten Heimat seit 47 Jahren, Tom-Dariusch betritt überhaupt zum ersten Mal iranischen Boden. So streifen die zwei durch die Städte und berichten, teils vor der Kamera, teils aus dem Off, meist jedoch im Dialog, von ihren ambivalenten Gefühlen. Sie fühlen sich weder als Fremde noch als Einheimische oder Touristen.

Eingefügte Spielszenen und Interviews

Aufnahmen aus einem jüdischen Tempel oder einem überwiegend von Afghanen bewohnten Armenviertel in Teheran zeigen die Vielfalt des Lebens in der islamischen Republik. Hier wäre mehr durchaus mehr gewesen. Immer deutlicher kristallisiert sich aus der Summe der Szenen jedoch heraus, dass Rote Rüben primär die bereits in jungen Jahren erwachte Liebe Houchang Allahyaris zum Film zum Ausdruck bringt. Unter anderem zeigen eingefügte Spielszenen, wie er als Bub von seiner Großmutter nicht ganz uneigennützig ins Kino geführt wurde, mehrere Interviews werden mit Personen aus der iranischen Filmindustrie geführt, und wichtiger als die Schilderung einer Tragödie innerhalb der Familie scheint ein Besuch des Teheraner Filmmuseums zu sein.

Dort finden die beiden Reisenden neben einem Porträt des einstigen Familienoberhaupts, eines strengen Patriarchen, der erste Filmaufnahmen ins Land brachte, auch eine antike Schale, der die erste und letzte Einstellung des Films gilt. Das Kunstwerk ist mit Bildern einer Gazelle verziert, die durch Drehen des Objekts gleichsam zum Laufen gebracht werden können. Nicht nur Familie Allahyari, sondern auch dieser essayistische Film findet seine Wurzeln in Persien. (Dorian Waller, 29.8.2016)