Seit Februar 2015 halten Extremisten des "Islamischen Staats" die libysche Küstenstadt Sirte unter ihrer Kontrolle. Damit könnte bald Schluss sein. Seit Mai kämpfen Gruppen, die mit der libyschen Einheitsregierung verbündet sind, darum, die Stadt aus den Fängen des IS zu befreien. Mit kräftiger Luftunterstützung durch die USA ist es ihnen gelungen, die Jihadisten in Libyen entscheidend zu schwächen. Ende August war nur mehr ein Stadtteil Sirtes unter der Kontrolle des IS.

Bild nicht mehr verfügbar.

Kämpfer der Anti-IS-Koalition beschießen eine Stellung des "Islamischen Staats" in Sirte.
Foto: REUTERS/Ismail Zitouny

Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Geschehnissen in und um Sirte:

Warum ist die Eroberung der Stadt Sirte so bedeutend für die vom Westen unterstützten libyschen Kämpfer?

Sirte ist einerseits von besonderer symbolischer Bedeutung – es ist der Geburtsort des ehemaligen Staatsführers Muammar al-Gaddafi. Für den IS ist Sirte auch ein wichtiger symbolischer Außenposten außerhalb der Gebiete im Irak und Syrien. Die radikalen Islamisten haben auch in Sirte versucht zu zeigen, dass sie einen funktionierenden Staatsapparat errichten können. Dafür haben sie sich zahlreicher bereits vorhandener Institutionen bedient – unter anderem der lokalen Radiostation, von der aus der IS Propaganda im Land verbreitet. Andererseits ist Sirte strategisch von großer Bedeutung. Die Stadt befindet sich nahe den Ölreichtümern Libyens.

Wer kämpft gegen den IS in Sirte?

Vorwiegend aus Misrata stammende Kämpfer, die mit der im Dezember unter UN-Vermittlungen ausgehandelten Einheitsregierung von Ministerpräsident Fayez al-Serraj verbündet sind. Seit August werden sie auch durch die US-Luftwaffe unterstützt. Die Regierung soll das Land wieder unter eine einheitliche politische Führung bringen. Dazu braucht sie aber das Vertrauen des Parlaments in Tobruk. Dieses hat der Einheitsregierung bisher das Vertrauen verweigert.

Wie viele Kämpfer hat der IS in Sirte?

Genaue Zahlen dazu gibt es nicht. Experten schätzen die Stärke des IS in Libyen allerdings auf mehrere tausend Mann; die meisten davon sind wohl in Sirte stationiert.

Hat der IS noch andere Städte in Libyen unter seiner Kontrolle?

Nein, dennoch sind radikalislamische Kämpfer im ganzen Land präsent. Zuletzt gab es mehrere Angriffe auf westliche Stadtteile von Bengasi. Die Einnahme von Sirte durch den IS folgte im Februar 2015, wenig später wurde der IS aus der Stadt Derna im Osten Libyens vertrieben, die die IS-Kämpfer 2014 unter ihre Kontrolle gebracht und dort 21 koptische Christen öffentlich hingerichtet hatten. Mittlerweile wird Derna von Gruppen kontrolliert, die mit Al-Kaida verbündet sind.

Wie wird der IS nach dem Verlust Sirtes vorgehen?

Der IS könnte auf dieselben Methoden zurückgreifen, die er schon eingesetzt hat, bevor er Städte in Libyen kontrollierte: Anschläge in Tripolis und Bengasi sowie auf Ölfördereinrichtungen im ganzen Land. Erste Anzeichen dafür, dass der IS auf diese bewährte Taktik zurückgreift, gibt es bereits: In den vergangenen Wochen haben die radikalen Islamisten verstärkt auf Selbstmordangriffe gesetzt.

Wohin werden die IS-Kämpfer fliehen, sollten sie aus Sirte vertrieben werden?

Als wahrscheinlichster Rückzugsort für die verbliebenen IS-Kämpfer gilt der Süden Libyens. In dem unbewohnten und schwer bis gar nicht kontrollierbaren Gebiet tummeln sich bereits jetzt zahlreiche Jihadisten anderer Gruppen.

Andere Möglichkeiten für den Rückzug werden zusehends unwahrscheinlicher. Zuletzt hatten die Kämpfer in Sabratha im Westen des Landes Trainingscamps eingerichtet. Diese wurden im Februar durch US-Luftschläge zerstört. In der Provinz Ajdibiya auf halbem Weg zwischen Sirte und Bengasi war der IS zuvor ebenfalls präsent. Mittlerweile kontrollieren allerdings mit Al-Kaida verbündete Gruppen und die libysche Armee (Tobruk-Parlament) das Gebiet. (Stefan Binder, 30.8.2016)