Noch bevor Kern mit Merkel in Meseberg zusammen gekommen war, hatte er etwas klar zustellen gehabt: "Ich bin nicht der Meinung, dass Frau Merkel unverantwortlich gehandelt hat."

Foto: APA/BKA/ANDY WENZEL

Jenes Mittagessen, das Bundeskanzler Christian Kern (SP) am Samstag mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel im Brandenburgischen Schloss Meseberg, dem Gästehaus der deutschen Bundesregierung, einnahm, wird eine Forsetzung haben. Im September kommt Merkel nach Wien, um mit Kern sowie den Regierungschefs von Slowenien, Kroatien und Bulgarien über die Lösung der Flüchtlingsproblematik zu beraten, erwogen wird auch eine Einladung an den ungarischen Premier Viktor Orban. Speziell wird es dabei um den Rückführungsdeal zwischen der Türkei und Griechenland gehen, daher wird auch die griechische Seite (als EU-Partner) dazugebeten.

"Die Türkei hat ihren Teil eingehalten, Griechenland nicht", erklärte Kern nach dem Treffen mit Merkel. Von den 8.000 Flüchtlingen, die von der Türkei nach Griechenland gekommen seien, wären "zumindest 4.000 rückführungsfähig gewesen". Doch, so Kern nach dem Gespräch mit Merkel: "Griechenland hat nicht die Rechtsgrundlage geschaffen." Daher seien er und Merkel der Meinung, es gebe "genug Probleme zu besprechen". Kern bleibt jedoch – was Beitrittsverhandlungen zur EU betrifft – bei seiner harten Haltung gegenüber der Türkei. Angesichts der "Radikalisierung der Zustände" und der "Verschlechterung der rechtlichen Standards" müsse man "langsam darüber nachdenken, wie eine Alternative zum Vollbeitritt aussehen könnte." Es werde dabei um Fragen der Zollunion, der Migration und der Sicherheit gehen. Merkel, so Kern, habe seine Position "nachvollziehbar" genannt.

Merkel nicht unverantwortlich

Noch bevor Kern mit Merkel in Meseberg zusammen gekommen war, hatte er etwas klar zustellen gehabt. "Ich bin nicht der Meinung, dass Frau Merkel unverantwortlich gehandelt hat", sagte Kern und widersprach damit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SP), der in den vergangenen Tagen mit harscher Kritik an Merkels Asylpolitik in der Kronen Zeitung und der deutschen Bild-Zeitung auf sich aufmerksam gemacht hatte. So hatte er gesagt: "Die 'Wir schaffen das'-Politik ist unverantwortlich" und auch gesagt: "Wir werden es nicht hinnehmen, dass Österreich durch diese Ermunterung in eine Postion kommt, dass dann wieder vermehrt Flüchtlinge von Italien über Österreich nach Deutschland wollen und gleichzeitig Deuschland die Grenzen schließt." Die Bild-Zeitung hatte daraufhin getitelt: "Ösis stänkern gegen Merkel."

Sowohl in deutschen als auch in österreichischen Regierungskreisen fand man Doskozils Kritik – so knapp vor dem Treffen mit Merkel – befremdlich. Denn eigentlich sollten in Meseberg die Gemeinsamkeiten auf dem Programm stehen. Laut Kern war Doskozils Kritik jedoch in Meseberg "kein Thema" bei Merkel, wobei er leicht süffisant anmerkte: "Frau Merkel ist eine gute Kennerin der österreichischen Innenpolitik."

Informeller Gipfel

Merkel hatte Kern und die Amtskollegen aus Bulgarien (Bojko Borissow), Slowenien (Miro Cerar) sowie Kroatien (Tihomir Oreskovic) eingeladen, um den informellen EU-Gipfel in Bratislava mit Staats- und Regierungschefs aus allen EU-Ländern mit Ausnahme Großbritanniens vorzubereiten. Dort soll es um die Lehren aus dem Brexit-Votum der Briten gehen. Über institutionelle Fragen, so Kern, wolle man bis zum Frühjahr, dem 60. Jahrestags der Unterzeichnung der römischen Verträge, beraten. Gleichzeitig müsse klar sein, dass es bei vielen Themen wie dem Schutz der Außengrenzen "nicht weitere lange Diskussionsschleifen" geben dürfe. Es werden bereits "intensive Gespräche" mit Mali und Niger geführt, um die Abwanderung aus diesen afrikanischen Staaten einzudämmen. In Niger, so Kern würden zwei Millionen Menschen hungern, daher gibt es für ihn eine klare Konsequenz: "Die EU wird Geld in die Hand nehmen müssen, um dort die Versorgung zu gewährleisten."

Merkel hatte in der vergangenen Woche schon Gespräche in Italien, Estland, Prag und Warschau geführt. Vor allem in Warschau, wo sie die Regierungschefs der Visegrad-Staaten (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) traf, hatte Merkel einmal mehr zu hören bekommen, dass man mit ihrer Asylpolitik nicht einverstanden sei und es auch keine Bereitschaft gebe, Flüchtlinge aufzunehmen. Kern bleibt bis Sonntag in Berlin, der letzte Teil des Aufenthalts ist aber privat: Er besucht am Samstagabend mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) das Gorki-Theater. (Birgit Baumann, 27.8.2016)